Gesetzesvorlage

Arbeitsminister will Betriebsräte stärken

29. Dezember 2020 Betriebsrat, Betriebsratswahl
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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Mehr Mitbestimmung, besserer Kündigungsschutz, weniger Verantwortung beim Datenschutz: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein Regelwerk vorgelegt, das Betriebsräten die Arbeit erleichtern und sie besser gegenüber dem Arbeitgeber positionieren soll. Ein Überblick über die geplanten Neuregelungen.

Von Gewerkschaftsseite kommt Lob für den Vorstoß des Bundearbeitsministers Hubertus Heil (SPD) - ver.di hält den vorgelegten Entwurf für ein Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte, kurz: Betriebsrätestärkungsgesetz, für richtig und warnt vor einer Verwässerung der geplanten Regelungen. Zumindest einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Mitbestimmung kann die Dienstleistungsgewerkschaft in dem vorgelegten Papier erkennen.

In der Begründung zu den geplanten Neuregelungen heißt es, die Bundesregierung habe es sich zum Ziel gesetzt, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern und zugleich die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren. Das ist so auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD und CDU/CSU festgelegt - die grundsätzliche Ausrichtung des Gesetzentwurfs dürfte also trotz der sozialdemokratischen Einfärbung bei den Regierungspartnern auf Einverständnis stoßen. 

Behinderungen eindämmen

Der Schutz von Betriebsräten vor Repressalien durch Arbeitgeber – insbesondere im Vorfeld von Neugründungen und Betriebsratswahlen – ist laut ver.di-Chef Frank Werneke besonders wichtig: »Wir erleben immer wieder, wie Arbeitgeber Druck auf Beschäftigte und Wahlvorstände ausüben, sie bedrohen oder gar kündigen, wenn sie von ihrem gesetzlich verbrieften Recht auf Gründung eines Betriebsrats Gebrauch machen wollen. Diesem illegitimen und antidemokratischen Treiben muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden«, sagte Werneke zum BMAS-Entwurf.

Betriebsrats-Behinderungen kein Einzelfall

Wie eine aktuelle Studie zeigt, kommt es immer wieder zu arbeitgeberseitigen Maßnahmen gegen engagierte und in Betriebsräten organisierte Mitarbeiter. Rechtliche Reformen könnten der Studie zufolge dazu beitragen, Angriffe auf die Mitbestimmung wirksam einzudämmen. Die Studie, die in Zusammenarbeit der Technischen Universität Chemnitz und der Beratungsgesellschaft AFB mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung entstanden ist, schlägt unter anderem Verbesserungen beim Kündigungsschutz für Initiatoren von Betriebsratswahlen vor – nur einer der Punkte, die im Referentenentwurf des BMAS zu finden sind. Der sieht diesbezüglich vor, dass zur Vermeidung der Behinderung einer Betriebsratswahl die Zahl der geschützten Einladenden auf Sechs erhöht wird. Zudem sollen im Gründungsprocedere eines Betriebsrats die Einladenden zur Wahlversammlung einen besonderen Schutz vor außerordentlichen Kündigungen erhalten (§ 15 Abs. 3a und 3b KSchG).

Neuregelungen im Überblick

Zu den wichtigsten Neuregelungen insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gehören:

  • Die Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens für die Wahl des Betriebsrats (sowie für die Wahl der JAV). Für den Betriebsrat soll künftig das mit der Betriebsverfassungsgesetzreform von 2001 eingeführte vereinfachte Wahlverfahren nach § 14a BetrVG nicht nur in allen Betrieben mit fünf bis 50 Arbeitnehmern gelten, sondern künftig für Betriebe mit fünf bis 100 Beschäftigten verpflichtend sein. In Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten sollen Arbeitgeber und Wahlvorstand die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren können. Auswertungen der Hans-Böckler-Stiftung zur Betriebsratswahl 2018 zeigen, dass dort, wo das vereinfachte Verfahren zum Einsatz kam, die Wahlbeteiligung um zehn Prozentpunkte höher ist als beim normalen Verfahren, 83 zu 73 Prozent.
     
  • Die Eindämmung der Möglichkeit zur Wahlanfechtung soll mehr Rechtssicherheit bringen (§ 19 Abs. 3 BetrVG): Ist Grund der Anfechtung die Unrichtigkeit der Wählerliste und wurde dies zuvor nicht durch die rechtlich vorgesehene Möglichkeit zur Klärung eines solchen Wahlfehlers überprüft, soll das Anfechtungsrecht zugunsten der Rechtssicherheit eingeschränkt werden. Gleiches soll für den Arbeitgeber gelten, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen Angaben beruht.
     
  • Mit der Neuregelung des § 129 BetrVG wird klargestellt, dass Präsenzsitzungen des Betriebsrats gegenüber Video- und Telefonkonferenzen zwar vorrangig sind, letztere aber entsprechend der aktuellen Corona-Sonderregelungen immer und krisenunabhängig möglich sein sollen. Der Betriebsrat kann die Ausgestaltung in seiner Geschäftsordnung festlegen. Damit sollen Hürden, die Menschen abhalten, sich im Betriebsrat zu engagieren, abgebaut werden.
     
  • Es wird klargestellt, dass Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können.
     
  • Um die Digitalisierung voranzutreiben, werden insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligent Neuregelungen angestrebt. So soll dem Betriebsrat beim Einsatz von KI und von Informations- und Kommunikationstechnik die Hinzuziehung eines Sachverständigen zustehen (§ 80 Abs. 3 BetrVG), und die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl sollen auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung einer KI erstellt werden (§ 95 BetrVG).
     
  • Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat (§79a BetrVG) ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit die Verarbeitung durch den Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben erfolgt.
     
  • Mit § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG wird ein neues Mitbestimmungsrecht eingeführt: »Ausgestaltung mobiler Arbeit«.

Recht auf Homeoffice könnte für Streit sorgen

Besonders wichtig ist laut Werneke die im Entwurf angekündigte Stärkung der Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. Mit dem neuen Mitbestimmungsrecht bei der inhaltlichen Ausgestaltung von mobiler Arbeit hätten sie Mitspracherecht beispielsweise beim Arbeitsort. Eine identische Regelung war bereits im Mobile-Arbeit-Gesetz im Oktober vorgesehen und nach heftiger Kritik des Koalitionspartners CDU/CSU aus dem Entwurf gestrichen worden.Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wollte sich Heil damit im Herbst die Zustimmung des Kanzleramts sichern. Es bleibt abzuwarten, wie die Reaktionen auf diese ungeliebte Regelung ausfallen werden. 

Und auch die geplanten KI-Normen, die die Hinzuziehung eines Sachverständigen ohne weitere Prüfung als erforderlich ansehen, dürften auf Widerstand stoßen. Die Kritik, dass hierdurch unnötige Kosten verursacht würden, ist allerdings überzogen: Schließlich ist der Betriebsrat angehalten, mit Augenmaß zu agieren und den Arbeitgeber im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht über Gebühr finanziell zu belasten. Daher gilt für die geplanten Änderungen, was ver.di-Vorsitzender Werneke sagt: »Der Entwurf enthält zumindest einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Mitbestimmung.«

© bund-verlag.de (mst)

Quelle:

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestärkungsgesetz). 

ver.di-Pressemitteilung vom 22.12.2020

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