Einrichtungsbezogene Impfpflicht

Corona-Impfungen sind nicht mit Zwangsgeld durchsetzbar

28. Juni 2022
Corona Covid Impfung Maske
Quelle: Pixabay.com | Bild von Jeyaratnam Caniceus

So empfehlenswert die Covid-19-Schutzimpfungen auch sind: Die Impfentscheidung ist letztlich freiwillig. Daher kann die Gesundheitsbehörde die Beschäftigten in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen auch nicht unter Androhung von Zwangsgeld zwingen, sich impfen zu lassen - so das Oberverwaltungsgericht Lüneburg.

Darum geht es

Die Arbeitnehmerin ist in einem Seniorenhaus in Niedersachsen tätig. Ihr Arbeitgeber teilte dem zuständigen Landkreis Diepholz mit, dass sie nicht gegen das Corona-Virus geimpft ist. Der Landkreis ordnete daraufhin gegenüber der Arbeitnehmerin unter Hinweis auf § 20a Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) an,

- innerhalb von 14 Tagen einen Impfnachweis über eine Erstimpfung und
- danach binnen weiteren 42 Tagen einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung

beim Gesundheitsamt einzureichen. Der Landkreis ordnete zudem die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) an und drohte der Arbeitnehmerin für den Fall, dass sie der Verfügung nicht nachkomme, ein Zwangsgeld an.

Dagegen wehrte sie sich mit einer Klage und einem Eilantrag. Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover stellte die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Vorlage der Impfnachweise wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung an.

Zur Begründung führte das Gericht  unter anderem aus, die Vorgehensweise des Landkreises sei im Ergebnis  voraussichtlich rechtswidrig, weil sie gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfentscheidung verstößt und nicht durch das IfSG gedeckt (VG Hannover - 15 B 1609/22).


Das sagt das Gericht

Das Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Beschwerde des Landkreises Diepholz gegen diese Entscheidung zurückgewiesen und damit die Entscheidung aus Hannover bestätigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid begehre der Landkreis der Sache nach nicht nur die Vorlage eines Nachweises. Die Landkreis habe die Antragstellerin vielmehr mittelbar dazu verpflichtet, sich in der vorgegebenen Frist gegen das Corona-Virus impfen zu lassen.

Nachweispflicht ist keine Impfpflicht

Für eine solche Verpflichtung einer ungeimpften Person und (erst recht) für die zwangsweise Durchsetzung dieser Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes biete § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG aller Voraussicht nach keine Grundlage. Die verkürzt auch als „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ bezeichnete einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht begründe nämlich gerade keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen.

Faktisch stelle die Regelung die Betroffenen vielmehr lediglich vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen.

Dementsprechend könne das Gesundheitsamt bei Nichtvorlage eines Nachweises ein sofort vollziehbares Betretens- oder Tätigkeitsverbot aussprechen (§ 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG). Dies entspreche dem Sinn und Zweck der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht, äußerst vulnerable Personengruppen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zeitnah und in besonderem Maße zu schützen.

Die Entscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

Hinweis für die Praxis

Es bleibt dabei, auch wenn die Corona-Impfungen dringend empfehlenswert und nach weit überwiegender Auffassung gerade für Beschäftige in sensiblen Bereichen geboten sind, um das Virus zu bekämpfen: Niemand darf, auch in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen. direkt oder indirekt zur Impfung gezwungen werden.

Einen solchen Eingriff in die körperliche Integrität legitimiert auch die Impfnachweispflicht nach IfSG in seiner derzeitigen Fassung nicht, die im übrigen nur noch bis 31.12.2022 gilt. Stattdessen hat der Gesetzgeber den Gesundheitsämtern die Möglichkeit eingeräumt, Beschäftigte ohne Impfung durch ein Beschäftigungs- und Betretungsverbot aus dem Betrieb zu nehmen - aber das ist eine Ermessensentscheidung, die die Behörde im Einzelfall treffen muss und gegen die auch der Rechtsweg eröffnet ist.

© bund-verlag.de (ck)

 

Quelle

OVG Lüneburg (22.06.2022)
Aktenzeichen 14 ME 258/22
OVG Lüneburg, Pressemitteilung vom 22.6.2022
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