Mitbestimmung

Gefährdungsbeurteilung: Die neue Linie des BAG

25. Oktober 2021 Gefährdungsbeurteilung
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Quelle: © DOC RABE Media / Foto Dollar Club

Die Gefährdungsbeurteilung spielt eine zentrale Rolle im Arbeitsschutz. Mit seiner viel diskutierten Entscheidung vom 13.8.2019 erzeugte das BAG erhebliche Unklarheit und Unsicherheit. Viele befürchteten eine drastische Einschränkung der Mitbestimmung. Aber wie wirkt sich die Entscheidung wirklich aus? Mehr erfahren Sie in »Arbeitsschutz und Mitbestimmung« 10/2021.

Dass der Betriebsrat bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung mitzubestimmen hat, hat das BAG bereits im Jahr 2004 zutreffend entschieden. Denn § 5 ArbSchG regelt das Verfahren zur Beurteilung der Gefährdungen gerade nicht im Detail, sondern überträgt dem Arbeitgeber nur das Ergebnis (»Du musst sämtliche Gefährdungen für die Beschäftigten beurteilen«). Wie dies konkret passieren muss, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Aus diesem Handlungsspielraum folgt die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen.

Einzelschritte der Gefährdungsbeurteilung

In der Praxis wird die Gefährdungsbeurteilung bislang in 7 Schritte unterteilt:

  1. Festlegen von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten
  2. Ermitteln der Gefährdungen
  3. Beurteilen der Gefährdungen
  4. Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik
  5. Durchführen der Maßnahmen
  6. Überprüfen der Wirksamkeit der Maßnahmen
  7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung

Umsetzung auf betrieblicher Ebene

An eben diesen 7 Schritten waren in der Vergangenheit auch Regelungen in Betriebsvereinbarungen zur Gefährdungsbeurteilung ausgerichtet. Die Vereinbarungen beinhalteten an den konkreten Betrieb angepasste Regelungen für alle 7 Schritte, regelten Gefährdungsbeurteilung und Maßnahmen sozusagen »in einem Abwasch«. Kürzlich jedoch hat das BAG dieser in der Praxis erprobten Vorgehensweise einen juristischen Riegel vorgeschoben.

Das BAG-Urteil vom 13.8.2019 – 1 ABR 6/18

In der Entscheidung ging es um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs. Regelungsgegenstand der Einigungsstelle waren »Regelungen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen« an bestimmten Arbeitsplätzen, also eigentlich das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung. Entsprechend der bisherigen Praxis enthielt der Spruch der Einigungsstelle aber auch schon Regelungen dazu, welche Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich sein können.

Regelungsauftrag überschritten

Das BAG erklärte den Spruch der Einigungsstelle unter anderem deshalb für unwirksam, weil sie ihren Regelungsauftrag teilweise überschritten habe. Die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG umfasse die Überprüfung, ob und gegebenenfalls welche Gefährdungen mit einer Tätigkeit einhergehen. Die mit der Arbeit verbundenen möglichen Gefährdungen sollen ermittelt und im Hinblick auf ihre Schwere und das Risiko ihres Eintritts bewertet werden. Der (durch Mitbestimmung auszufüllende) Rahmen des § 5 ArbSchG umfasse aber nicht die Beantwortung der Frage, welche konkreten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer in Betracht kommen können. Ebenso zählt hierzu nicht die Wirksamkeitskontrolle ausgewählter Maßnahmen.

Übertragen auf 7 Schritte der Gefährdungsbeurteilung folgt hieraus: Die Schritte 1. – 3. und 7 gehören nach dem BAG zur Mitbestimmung gem. § 5 ArbSchG, die Schritte 4. – 6. dagegen nicht.

Mitbestimmung ade?

Das bedeutet für Betriebsräte aber nicht, dass sie bei diesen Punkten künftig keinerlei Mitbestimmung mehr ausüben können. Vielmehr verortet das BAG die Schritte 4. – 6. im Hinblick auf die Mitbestimmung »lediglich« an einer anderen, späteren Stelle.

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  • Muster-Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung
  • Unfälle auf dem Arbeitsweg: Arbeitsunfall ja oder nein?
  • 7 Fragen zur krankheitsbedingten Kündigung
  • Rechtsprechung: Anerkennung von Mobbing als psychische Berufskrankheit?
  • Rechtsprechung: Urlaubstage zurück bei Corona-Quarantäne?

 

© bund-verlag.de (fk)

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