Arbeitszeit

Vergütung von ärztlichem Hintergrunddienst als Rufbereitschaft

30. März 2021
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Quelle: fotomek_Dollarphotoclub

Beim Hintergrunddienst sind Mediziner verpflichtet, für berufliche Anfragen erreichbar zu sein. Daher vergüten Kliniken diesen Dienst nur als Rufbereitschaft. Als höherwertiger Bereitschaftsdienst ist er nur dann zu vergüten, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich regelmäßig zur Arbeit herangezogen wird und seinen Aufenthaltsort nicht frei wählen kann - so das Bundesarbeitsgericht.

Darum geht es

Ein Oberarzt macht gegenüber dem Klinikum, bei dem er beschäftigt ist, eine höhere Vergütung geltend. Er will erreichen, dass seine Hintergrunddienste als Bereitschaftsdienst vergütet werden. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der »Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken« (TV-Ärzte/TdL) Anwendung.

Der Arzt leistet außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit für die Klinik auch sogenannte »Hintergrunddienste«. Während dieser Zeiten ist er verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Seine Arbeitgeberin macht ihm dabei keine ausdrücklichen Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat.

Im Rahmen des Hintergrunddienstes kann es zu Einsätzen im Klinikum kommen. Allerdings überwiegen die rein telefonischen Inanspruchnahmen. Zudem bearbeitet der Oberarzt auch mögliche Angebote für Organtransplantationen der Stiftung Eurotransplant, bei denen in 30 Minuten geklärt werden muss, ob ein Patient ein angebotenes Spenderorgan annehmen kann.

Die Arbeitgeberin vergütet diese Hintergrunddienste nach dem TV-Ärzte/TdL als Rufbereitschaft (§ 9 Abs. 1, § 7 Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL). Der Oberarzt ist der Ansicht, seine Hintergrunddienste seien aufgrund der mit ihnen verbundenen Beschränkungen und wegen der Häufigkeit seiner Inanspruchnahme tatsächlich Bereitschaftsdienst und damit höher zu vergüten.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat dem Kläger für den Zeitraum August 2017 bis Juni 2018 eine zusätzliche Vergütung von knapp 40.000,00 Euro brutto zugesprochen (LAG Köln 4.3.2020 - 3 Sa 218/19).

Das sagt das Gericht

Vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte die Arbeitgeberin Erfolg: Das BAG veneinte den Zahlungsanspruch, auch wenn das BAG dem Kläger in der Sache zugestand, dass die Arbeitgeberin ihn während der Hintergrunddienste zu häufig herangezogen hatte.

Tariflich liegt Rufbereitschaft vor

Bei den Hintergrunddiensten des Klägers handelt es sich nach Ansicht des BAG um Rufbereitschaft, so dass die Arbeitgeberin sie auch so vergüten konnte. Zur Begründung führt das Gericht aus:

  • Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterscheiden sich nach den tariflichen Definitionen  dadurch, dass der Arbeitnehmer sich nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann (§ 7 Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL). Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung.
     
  • Allerdings ist der Arbeitnehmer auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann. Das ist bei dem von der Arbeitgeberin angeordneten Hintergrunddienst noch der Fall.
     
  • Mit der Verpflichtung, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen, ist keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden. Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit im Übrigen bestehen nicht. Dass unter Umständen nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, steht im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft.

Obergrenze für Hintergrunddienst überschritten

Zwar entschied das BAG zugunsten des Klägers, dass die Arbeitgeberin den Oberarzt die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste in diesem Umfang nicht hätte anordnen dürfen. Denn der Tarifvertrag untersagt dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt (§ 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL).

Diese Schwelle war hier nach Ansicht des BAG überschritten, da der Oberarzt in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen wird und zu 4 Prozent aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit leistet. Das BAG betont, es komme es entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht nur auf die Arbeitseinsätze an, die in der Klinik fortzusetzen sind, was in mehr als einem Viertel der Rufbereitschaften vorkommt.

Dennoch keine höhere Vergütung

Gleichwohl führt dies nach Ansicht des BAG nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Das BAG geht davon aus, dass hier eine gewollte Lücke in der Vergütungspflicht besteht: Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil sei nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent.

Die Tarifvertragsparteien hätten damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen habe das BAG respektiert.

© bund-verlag.de (ck)
 

Quelle

BAG (25.03.2021)
Aktenzeichen 6 AZR 264/20
BAG, Pressemitteilung vom 25.3.2021
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