Interview

3 Fragen zur Arbeit der Mitarbeitervertretung

17. Mai 2022
MAV-Lexikon katholisch
Quelle: Bund-Verlag GmbH

Die Pandemie hat die Digitalisierung vorangetrieben. Homeoffice und Sitzungen per Videokonferenzen sind an der Tagesordnung. Welche Mitbestimmungsrechte haben MAVen bei mobiler Arbeit? Was ist bei Sitzungen per Videokonferenz zu beachten? Antworten gibt Dr. Norbert Gescher, Mitautor des neu erschienen »Lexikon der MAV für katholische Kirche und Caritas von A bis Z« im Interview.

1. Welche Mitbestimmungsrechte haben MAVen bei mobiler Arbeit und Homeoffice?

Eine ausdrückliche Regelung zur Mitbestimmung bei der Einführung und Ausgestaltung von mobiler Arbeit und Homeoffice fehlt in der Mitarbeitervertretungsordnung. Gleichwohl greifen gleich eine ganze Reihe von Beteiligungstatbeständen:

  • § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO

Konzepte zur mobilen Arbeit und Homeoffice gehen regelmäßig mit flexiblen Arbeitszeitkonzepten, der Einführung von Rahmenarbeitszeiten, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit sowie der Einführung und Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten einher. In der Praxis geht es ja in aller Regel nicht nur darum, seine Arbeitsleistung an einem anderen Ort zu erbringen, sondern neben der örtlichen Flexibilität auch eine höhere zeitliche Flexibilität durch die Einführung und Anwendung mobiler Arbeit und Homeoffice zu ermöglichen. Dazu braucht es Arbeitszeitregelungen, die den notwendigen sicheren Handlungsrahmen für alle Beteiligten schaffen.

  • § 36 Abs. 1 Nr. 9 MAVO

Es gibt annähernd kein Konzept der mobilen Arbeit sowie der Arbeit vom Homeoffice aus, bei dem nicht auch IT-Systeme zur Anwendung gelangen, so etwa, um einen externen Zugriff auf den Server der Einrichtung zu erlangen oder über cloud-basierte Programme zu arbeiten. Die Auswahl der Anbieter für solche IT-Systeme, die Einführung derartiger IT-Systeme und die Anwendung derartiger IT-Systeme bedarf jeweils der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Und auch hier besteht die Möglichkeit zum Abschluss von Vereinbarungen, in diesem Fall über § 38 Abs. 1 Nr. 11 MAVO.

  • § 36 Abs. 1 Nr. 10 MAVO

Arbeitsschutz ist ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit mobiler Arbeit und Homeoffice. Dies gilt nicht nur insofern, als derartige Möglichkeiten in der Pandemie auch dem Gesundheitsschutz dienen sollten, sondern eben auch der konkreten Ausgestaltung von mobiler Arbeit und Homeoffice-Lösungen. Auch insofern besteht ein zwingendes Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung sowie die Möglichkeit des Abschlusses von Dienstvereinbarungen (§ 38 Abs.1 Nr. 12 MAVO) einschließlich der Erzwingbarkeit vor der Einigungsstelle.

In allen Fällen besteht zudem die Möglichkeit, entsprechende Dienstvereinbarungen nach § 38 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 11 sowie Nr. 12 MAVO über § 37 Abs. 1 MAVO zu beantragen und im Fall der fehlenden Einigung vor der Einigungsstelle nach § 37 Abs. 3 MAVO zu erzwingen.

2. Was müssen MAVen beachten, wenn sie Sitzungen per Videokonferenzen durchführen möchten? 

Inzwischen gibt es in den Bistümern ganz unterschiedliche Regelungen, die von einer stets zulässigen Durchführung von Sitzungen ganz oder teilweise online oder per Telefonkonferenz bis zu nur im Ausnahmefall zulässigen Online-Sitzungen greifen.  Eine dem Betriebsverfassungsrecht entsprechende Lösung, die Sitzungen per Videokonferenzen nur dann ermöglicht, wenn eine entsprechende Geschäftsordnung besteht und ein qualifizierter Teil des Gremiums der Durchführung in dieser Form nicht widerspricht, gibt es im Bereich der Mitarbeitervertretungsordnung nicht. Es ist aber dennoch dringend dazu zu raten, die Ausgestaltung der Sitzungen, die ganz oder teilweise online oder in Form einer Telefonkonferenz durchgeführt werden sollen, in der Geschäftsordnung zu regeln und dabei insbesondere auf die Einhaltung des Datenschutzes zu achten. In jedem Fall sollte in das Protokoll derartiger Sitzungen zu Beginn aufgenommen werden, dass alle zugeschalteten Teilnehmer*innen versichern, dass Dritte keine Möglichkeit haben, Inhalte der Sitzung wahrzunehmen.

3. Haben MAVen ein digitales Einsichtsrecht in Brutto-Entgeltlisten?  

Die Einsichtnahme in die Brutto-Entgeltlisten hat die weltlichen und kirchlichen Arbeitsgerichte in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt. Nach der Rechtsprechung des KAGH (Urteil vom 22.11.2019, M 07/2019) haben die Mitarbeitervertreterinnen und Mitarbeitervertreter einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Brutto-Entgeltlisten schon deshalb, weil die Beachtung des Gleichbehandlungsgebots zu ihren Aufgaben aus §§ 26, 27 MAVO gehört. In welcher Weise diese Einsichtnahme ausgestaltet wird, obliegt allerdings den Dienstgeber. In vielen Bereichen werden aber auch für die Wahrung derartiger Informationsrechte der Gremien digitale Lösungen genutzt, die eine Online-Einsichtnahme ermöglichen und damit für alle Beteiligten einen pragmatischen und schnell umsetzbaren Weg der Erfüllung des Informationsanspruchs der Mitarbeitervertretung sichern.

Lesetipp:

Richard Geisen/Norbert Gescher: Lexikon der MAV für katholische Kirche und Caritas von A bis Z, Rechte und Handlungsmöglichkeiten Rechte und Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeitervertretung. Inkl. Online-Zugriff auf alle Stichwörter und Arbeitshilfen. Mehr Infos gibt es hier!

Der Interviewpartner: 

Norbert Gescher, Dr. jur., Fachanwalt für Arbeitsrecht; Vertretung von MAVen und diözesanen Arbeitsgemeinschaften der MAVen; Beratung und Referententätigkeit zum Mitarbeitervertretungs- und Betriebsverfassungsrecht.

© bund-verlag.de (ls)

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