Arbeitszeit

»Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice sind weiterhin möglich«

14. September 2022 Arbeitszeit, Zeiterfassung
Arbeitszeit
Quelle: pixabay

Das BAG hat am 13.9.2022 entschieden, dass Arbeitgeber aus Arbeitsschutzgründen verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen. Bisher war das nur in bestimmten Ausnahmen der Fall. Ein Initiativrecht der Betriebsräte soll daneben nicht bestehen. Was kommt nun auf die Betriebe zu? Micha Klapp, Leiterin der Abteilung Recht beim DGB Bundesvorstand, beantwortet unsere Fragen.

Der Beschluss des BAG, der eine Pflicht der Arbeitgeber zum Erfassen aller Arbeitszeiten aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ableitet, wird in Fachkreisen schon als »Paukenschlag« bezeichnet (BAG 13.9.2022 - 1 ABR 22/21)

 

1. Sind Sie zufrieden mit dem Urteil?

Im Grundsatz ja. Die europarechtliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung war schon lange klargestellt, umstritten war aber, ob eine europarechtskonforme Auslegung des deutschen Rechts möglich ist. Diese ist dem Bundesarbeitsgericht nun gelungen, sodass sich Arbeitnehmer*innen und Betriebsräte nun auch auf das deutsche Recht zur Durchsetzung ihres Anspruches auf einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz auch in Hinblick auf die Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten stützen können.

 

2. Was heißt das Urteil für Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice?

Vertrauensarbeitszeiten und Homeoffice sind weiter möglich. Klargestellt ist nun aber, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zum Arbeitsschutz auch in diesen Modellen nachkommen muss. Das heißt, er muss tätig werden, wenn Höchstarbeitszeiten überschritten werden oder Ruhezeiten nicht eingehalten werden.

 

3. Die Arbeitgeber beklagen bereits, dass ein erheblicher Aufwand entstehe. Teilen Sie diese Meinung?

Arbeitgeber müssen sich nun Gedanken machen, wie sie die Verpflichtung aus dem europäischen Recht zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems umsetzen. Sich über den Aufwand zu beklagen bringt nichts: die Arbeitszeiterfassung ist europarechtlich und aus Gründen des Gesundheitsschutzes geboten und wird bereits in vielen Unternehmen praktiziert.

 

4. Betriebsräte sollen kein Initiativrecht zur Einführung einer digitalen Zeiterfassung bekommen. Halten Sie das für richtig?

Ein Mitbestimmungsrecht besteht immer nur dann, wenn dem Arbeitgeber ein eigener Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht. Sodass die Ablehnung eines Initiativrechtes vor dem Hintergrund dieser Argumentation rechtlich nachvollziehbar ist – wenn der Arbeitgeber ohnehin verpflichtet ist, kann der Betriebsrat nicht mit ihm darüber verhandeln. Anders zu bewerten ist die Frage, wie die Arbeitszeiterfassung konkret ausgestaltet wird – solange es hier keine abschließenden Regelungen ist, verbleibt Raum für Mitbestimmung.

 

5. Was muss nach Ihrer Meinung nun passieren?

Betriebsräte müssen nun tätig werden, damit der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkommt. Das heißt Betriebsräte können nun Initiative ergreifen und ihre Beteiligungsrechte einfordern. Bei der Festlegung des »Wie« – also der Modalitäten - hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.

 

Die Fragen stellte Bettina Frowein, Bund-Verlag.

 

Lesetipp:

 

»BAG: Pflicht zum Erfassen aller Arbeitszeiten (BAG 13.9.2022 - 1 ABR 22/21)«

Im Gespräch mit

Micha Klapp

Micha Klapp

Leiterin der Abteilung Recht beim DGB Bundesvorstand.
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