Experteninterview

Wäre die »Osterruhe« rechtlich zulässig?

24. März 2021
Ostern
Quelle: pixabay

Für die ganze Osterzeit sollte bis vor wenigen Minuten das Prinzip »Wir bleiben zuhause« gelten. Gründonnerstag und Ostersamstag wurden zu »Ruhetagen« erklärt. Jetzt hat die Bundeskanzlerin das wieder gestoppt. Wäre eine »Osterruhe« rechtlich überhaupt zulässig? Was, wenn der Arbeitgeber bereits gewährten Sonderurlaub nun zurück nimmt? Wir haben den Experten Prof. Dr. Wolfgang Däubler gefragt.

Wäre das rechtlich zulässig? Kann man zusätzliche Ruhetage einfach so anordnen?

Nein, wir leben in einem Rechtsstaat, und da kann die Regierung nicht einfach wie es ihr gerade so einfällt in Freiheit und Rechte der Bürger eingreifen. Sie braucht dafür eine gesetzliche Ermächtigung, und die hat sie derzeit nicht.

Feiertagsrecht ist Ländersache, weshalb es in jedem Bundesland ein Feiertagsgesetz gibt. Dieses enthält aber in der Regel keine Ermächtigung, die Zahl der Feiertage zu vergrößern; da wäre schon die Wirtschaft dagegen. Auch ist zweifelhaft, ob die zwei Ruhetage überhaupt als »Feiertage« zu qualifizieren sind, denn eigentlich gibt es ja wirklich nichts zu feiern. Konkret: Man braucht jeweils ein neues Landesgesetz. Ob die Landtage das auf die Schnelle hinkriegen, ist höchst zweifelhaft. Auch wenn es leichter ist, ein Gesetz zu machen als genügend Impfstoff zu beschaffen – die organisatorischen Fähigkeiten unserer Entscheidungsträger sind beschränkt. Die Zuständigkeit der Landtage wäre nicht das Problem, denn im Arbeitsrecht können die Länder aktiv werden, wenn der Bund nichts geregelt hat. Aber auch da kann es Leute geben, die erst mal ein Rechtsgutachten haben wollen – dann ist man erst mal die Verantwortung los. Ob die Ruhetage wirklich kommen – da habe ich meine Zweifel.

Müssen Beschäftigte dann Zwangsurlaub nehmen?

Niemand kann gezwungen werden, Urlaub zu nehmen. Es würde sich um eine Art behördlicher Betriebsschließung für zwei Tage handeln. Das ist kein Urlaub; vielmehr müsste der Arbeitgeber das Entgelt fortbezahlen, weil er das Betriebsrisiko trägt. Das wird die Unternehmen nicht freuen. Auch gibt es vollkontinuierliche Produktionsprozesse, die man nicht einfach unterbrechen kann.

Muss die Produktion dann zwangsweise überall stillstehen? Wer übernimmt mögliche Kosten für Produktionsausfälle?

Die Situation ist im Prinzip keine andere als an Feiertagen. Nur ein Minimum an Tätigkeiten (Krankenhäuser, Polizei, Tankstellen usw.) bleibt bestehen. Theoretisch könnte der Staat den Unternehmen die Kosten abnehmen, aber da ergäbe sich ein Gleichheitsproblem: Andere Unternehmen, etwa im Handel oder in der Gastronomie, bekommen seit vielen Monaten bestenfalls einen Teilausgleich ihrer Verluste – da können andere schon mal zwei Tage Zwangspause machen.

Was ist, wenn Beschäftigte an diesen »Ruhetagen« arbeiten? Bekommen Sie dann Zuschläge?

Wenn man von zusätzlichen Feiertagen ausgeht, bekommen sie Zuschläge. Wenn man – was mir mehr einleuchtet – von einer hoheitlichen Betriebsschließung wegen der Pandemie ausgeht, bekommt man nur das normale Entgelt, es sei denn im Betrieb gäbe es eine Sonderregelung für solche Fälle.

Müssen Betriebs- und Personalräte eingebunden werden?

Ja, ohne Betriebs- und Personalrat lässt sich eine solche Aktion sowieso nicht realisieren. Es besteht einmal ein Informationsrecht über alles, was mit den Ruhetagen zusammenhängt, Zum andern kann es sein, dass sich die Arbeitszeit am Mittwoch vor Ostern oder am Dienstag danach ändert, weil beispielsweise Überstunden anfallen. Dann ist ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gegeben.

Was, wenn der Arbeitgeber bereits gewährten Sonderurlaub nun zurück nimmt?

Beim »Sonderurlaub« muss man differenzieren: Handelt es sich um einen zusätzlichen Urlaub, so wäre die Grundlage weggefallen und er könnte wieder rückgängig gemacht werden. Ausnahme: Der Arbeitnehmer hat in den Stunden zwischen der Ankündigung des Urlaubs und dem »Kommando zurück« Dispositionen getroffen, die sich nicht ohne Schaden rückgängig machen lassen. Daneben kann es den Fall geben, dass für die zwei Tage »Betriebsferien« vereinbart wurden, wozu man allerdings den Betriebsrat braucht und dieser einen Beschluss fassen muss. Dies ließe sich in der kurzen Zeit nicht bewältigen. Man wäre nur bis zu einem Antrag auf Betriebsferien gekommen, und der könnte wieder zurückgenommen werden. Also in beiden Fällen: viel Lärm um nichts.

Der Interviewpartner

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Wolfgang Däubler

Dr. jur., Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Er ist einer der bekanntesten Arbeitsrechtler.

 

 

© bund-verlag.de (fro)

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