Entgeltfortzahlung

Wer die Arbeitsunfähigkeit beweisen muss

10. September 2021
AU-Bescheinigung_20217453
Quelle: © Bernd Leitner / Foto Dollar Club

Die ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit (AU) hat hohen Beweiswert. Der Arbeitgeber muss gute Gründe haben, warum er sie anzweifelt. Ein solcher Grund kann darin liegen, wenn die AU-Bescheinigung zeitlich genau die restliche Kündigungsfrist abdeckt - so nun das BAG.

Darum geht es

Die Arbeitnehmerin war seit Ende August 2018 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Am 8. Februar 2019 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 22. Februar 2019. Zugleich legte sie ihrer Arbeitgeberin eine auf den 8. Februar 2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete AU-Bescheinigung - gültig bis 22. Februar - vor.

Die Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses abdecke.

Die Arbeitnehmerin hat demgegenüber geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-Out gestanden. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hatte ihrer Klage auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 stattgegeben (LAG Niedersachsen, 13.10.2020 – 10 Sa 619/19).

Das sagt das Gericht

Das Bundesarbeitsgericht wies dagegen die Klage auf Entgeltfortzahlung ab und gab der Arbeitgeberin Recht.

Die Klägerin habe die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer AU-Bescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert könne der Arbeitgeber aber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben.

Gelinge das dem Arbeitgeber, müsse  der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.

Nach diesen Grundsätzen habe die Arbeitgeberin den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttert, indem sie sich auf die zeitliche Übereinstimmung zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und dem gleichen Zeitraum der AU-Bescheinigung berufen hat. Diese Koinzidenz begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit.

Die Arbeitnehmerin sei im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach einem Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage war daher abzuweisen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (08.09.2021)
Aktenzeichen 5 AZR 149/21
BAG, Pressemitteilung vom 8.9.2021
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