Personalratsarbeit

7 Fragen zur Personalratsarbeit während der Corona-Krise

Corona_Arbeit
Quelle: pixabay

Das Coronavirus hat die Arbeitswelt fest im Griff. Viele Beschäftigte arbeiten im Homeoffice, Besprechungen werden abgesagt. Wie kann die Personalratsarbeit unter diesen Umständen weitergehen? Sind jetzt Personalratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz möglich? Können Beschlüsse im Umlaufverfahren gefasst werden? Wir haben den Experten Prof. Dr. Peter Wedde gefragt.

1. Wie kann in der Corona-Krise notwendige Personalratsarbeit organisiert werden, wenn Sitzungen nicht mehr stattfinden können?

Die aktuell bestehende Situation war so noch nie da und stellt auch für Personalräte eine besondere Herausforderung dar. So lange sie andauert, bleibt Arbeitgebern und Personalräten gar nichts anderes übrig, als die gesetzlichen Regelungen im jeweils anwendbaren Personalvertretungsgesetz zugunsten der Arbeitnehmer weit auszulegen, um so auch den Weg für pragmatische Lösungen frei zu machen. Wo noch reguläre Personalratssitzungen stattfinden können, sollten Personalräte ihren Vorständen und/oder Vorsitzenden per Beschluss für die Dauer der Krise erweiterte Kompetenzen bezüglich der Durchführung unumgänglicher Maßnahmen zuweisen.

Sind reguläre Sitzungen plötzlich und überraschend nicht mehr durchführbar, sollten sich Personalräte auf elektronischem Weg darauf verständigen, wer welche Aufgaben erledigen soll und die hierfür ggf. notwendige Beschlüsse im Nachhinein fassen. Wichtig ist allerdings die Feststellung, dass auch während der Corona-Krise alle gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte uneingeschränkt weiter gelten. Personalräte sollten deshalb insbesondere keine von einer Dienststelle oder einer obersten Dienstbehörde vorgelegten Dienstvereinbarungen unterschreiben, mit denen sie auf Rechte verzichten oder hier Einschränkungen hinnehmen.

2. Können Personalratssitzungen ausnahmsweise als Telefon- oder Videokonferenzen abgehalten werden?

In den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder wird durchgängig vorgeschrieben, dass Personalratssitzungen nicht öffentlich sind und dass Beschlüsse dort mit der Mehrheit der Anwesenden gefasst werden müssen (vgl. beispielsweise die §§ 35 und 37 Abs. 1 BPersVG oder §§ 32 und 34 Abs. 1 HPVG). Diese gesetzlichen Vorgaben stehen Personalratssitzungen per Telefon- und Videokonferenzen entgegen, zumal hierbei die notwendige Vertraulichkeit nicht immer gewährleistet ist. Daran ändert aus juristischer Sicht auch die Erklärung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vom 23.3.2020 nichts. Diese Erklärung gibt nur dessen Auffassung wieder, ist aber nicht zugleich eine auf Bundes- und Landesebene geltende gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Telefon- und Videokonferenzen durch Personalräte dar. Zudem stellt sie zulässige Abweichungen vom Präsenzprinzip unter den ausdrücklichen Vorgehalt, dass durch die Durchführung konventionelle Präsenzsitzungen das Leben oder die Gesundheit von Personalratsmitgliedern gefährdet würde bzw. dass diese aufgrund behördlicher Anordnungen nicht möglich sind.

Sind Personalratsvorsitzende der Meinung, dass die zwingenden Voraussetzungen erfüllt sind, die auch der vom Bundesarbeitsminister benannt hat, können sie während der Dauer der Corona-Krise den Personalrat für die Diskussion anstehender Themen zu einer Sitzung per Telefon- oder Videokonferenzen einladen. Bei den Einladungen müssen die für die Ladung zu einer Sitzung vorgeschriebenen Formalien (Ladung aller Mitglieder nebst Übersendung der Tagesordnung sowie Dokumentation der Anwesenheit) beachtet werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass tatsächlich auch alle Personalratsmitglieder auf elektronischem Weg teilnehmen können. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass Videokonferenz zwar wegen der vielfältigeren Kommunikationsmöglichkeiten empfehlenswert sind, dass deren Durchführung aber vielfach am Fehlen der notwendigen Endgeräte bei allen Mitgliedern sowie an begrenzten Übertragungsraten scheitert. Deshalb werden wohl Telefonkonferenzen weiterhin der Regelfall sein, zumal diese technisch einfacher zugänglich sind. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass alle Personalratsmitglieder eine ungestörte Teilnahmemöglichkeit haben.

In Telefon- oder Videokonferenzen können Personalräte alle anstehenden Themen diskutieren und hierzu per Abstimmung Meinungsbilder erstellen. Gruppenbezogene Angelegenheiten müssen ggf. in getrennten Runden behandelt werden. Auf der Grundlage derartiger Abstimmungen können Personalratsvorsitzende oder Personalratsvorstände gegenüber den Dienststellen Erklärungen abgeben und so handlungsfähig bleiben. Diese Erklärungen müssen sich in dem Rahmen bewegen, den Personalräte vorgegeben haben. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten diese Abstimmungen aus formalen Gründen in den nächsten regulären Personalratssitzungen wiederholt werden.

3. Können Beschlüsse im Umlaufverfahren gefasst werden?

Wirksame Beschlüsse können nur in einer Sitzung gefasst werden, weil die verschiedenen Personalvertretungsgesetze (anders als etwa das AktG), die Möglichkeit von Umlaufverfahren nicht zulassen, sondern Präsenzsitzungen vorschreiben. Einer möglichen gerichtlichen Überprüfung halten Umlaufbeschlüsse deshalb nicht stand. Herausragend wichtige Beschlüsse (etwa zur Kurzarbeit), sollten deshalb wo immer das möglich ist, unbedingt in einer (Sonder-)Sitzung gefasst werden. Sind Präsenzsitzungen bedingt durch Corona unmöglich, bleibt als Alternative auch hier nur die Durchführung von Telefon- oder Videokonferenzen.

4. Wie können Personalräte die Beschlussfähigkeit herstellen, wenn Gremienmitglieder am Coronavirus erkrankt oder in vorsorglicher Quarantäne sind? Was ist, wenn nicht genügend Ersatzmitglieder zur Verfügung stehen?

Es gilt auch bezogen auf Corona weiterhin der Grundsatz »Krank ist krank«: Ist ein Personalratsmitglied wegen Krankheit arbeitsunfähig, muss ein Ersatzmitglied zur Sitzung eingeladen werden. Gleiches gilt, wenn eine persönliche Verhinderung aufgrund einer behördlich verfügten Quarantäne vorliegt. In diesen Fällen ist eine Teilnahme auf elektronischem Weg allerdings weiterhin möglich, wenn keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Hier empfiehlt sich eine rechtzeitige vorherige Abstimmung mit dem betroffenen Personalratsmitglied. Werden persönliche Verhinderungen so zahlreich, dass die gesetzliche festgelegte Anzahl von Personalratsmitgliedern in einer Sitzungen nicht mehr erreicht werden kann, bleibt das Gremium dennoch solange weiter beschlussfähig, wie die Mehrheit seiner gewählten Mitglieder zur Verfügung steht (beispielsweise bei einem neunköpfigen Personalrat mindestens fünf Personen).

5. Wie sieht es mit Personalversammlungen aus, die alle Vierteljahre stattfinden sollten?

Die Durchführung von Personalversammlung gehört zu den Amtspflichten des Personalrats. Sind Personalversammlung aufgrund gesundheitlich bedingter oder behördlich verfügter Versammlungsverbote nicht möglich, liegt aber kein Pflichtverstoß des Personalrats vor. Er sollte dann aber die Beschäftigten über Aktuelles auf anderem Weg informieren.

6. Was sollten Personalräte beachten, um in dieser schwierigen Situation wirksam handeln zu können?

Ein Patentrezept gibt es nicht. Eine gute Lösung zur Herstellung von Rechtssicherheit ist eine rechtsverbindliche und unwiderrufliche Erklärung der Dienststelle (besser noch der zuständigen obersten Dienstbehörde), die festlegt, dass von Personalratsbeschlüsse, die in der Zeit des Corona-Notstandes gefasst wurden, von dort nicht aus formalen Gründen angefochten bzw. zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Gleiches gilt für fristgebundene Beschlüsse, bei denen Zeitauflauf Zustimmung bedeuten würde. Diese Erklärung sollte auch nachträgliche Beschlussfassungen eines Personalrats erfassen, die notwendig sind, um »Notfallentscheidungen« von Personalratsvorsitzenden oder -vorständen später in einer regulären Sitzung bekräftigten zu können.

Um die in der Krisenphase handelnden Personalratsmitglieder persönlich zu schützen, sollte eine solche Erklärung zudem einen Verzicht auf Maßnahmen mit dem Ziel des Ausschlusses von Personalratsmitgliedern oder der Auflösung eines Personalrats (vgl. etwa § 28 Abs. 1 BPersVG oder § 25 Abs. 1 HPVG) enthalten, die sich auf einschlägige Personalratsaktivitäten in der »Corona-Phase« beziehen. Mit Blick auf eine hoffentlich bald wieder eintretende Normalisierung der Situation sollte eine Erklärung der Dienststelle bzw. der obersten Dienstbehörde zudem festzuschreiben, dass dieses besondere Verfahren danach ersatzlos entfällt und kein Präjudiz für den »Regelbetrieb« darstellt.

Eine solche Erklärung können Dienststellen oder oberste Dienstbehörden sehr schnell abgeben. Sind sie hierzu nicht bereit, kommt eine freiwillige Dienstvereinbarung mit entsprechenden Inhalten in Betracht. Deren rechtskonformer Abschluss dauert aber länger und setzt, um auf der juristisch sicheren Seite zu sein, die Durchführung einer Präsenzsitzung voraus.

7. Verändert sich der Handlungsspielraum von Personalräten durch eine solche Erklärung?

Die Abgabe einer derartigen Erklärung durch die Dienststelle oder die oberste Dienstbehörde reduziert die Gefahr, dass nach Ende der Corona-Krise von dort Beschlüsse von Personalräten unter Hinweis auf einen Verstoß gegen die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben in den jeweiligen Personalvertretungsgesetzen angefochten werden. Zudem würde sie es Personalratsvorsitzenden beispielsweise ermöglichen, gegenüber der Dienststellenleitung Aussagen zu Entscheidungen des Gremiums abzugeben, die sie aus einem Meinungsbild oder aus einem (unwirksam) im Umlaufverfahren getroffenen Beschluss ihrer Personalräte ableiten, der nur deshalb so getroffen wurde, weil reguläre Sitzungen unter den besonderen Bedingungen der Corona-Krise nicht möglich waren.

Gratis Arbeitshilfe für Sie

Mustertext zur Erklärung der Leitung der Dienststelle bzw. der obersten Dienstbehörde.

 

Der Interviewpartner:

Wedde_Peter_kleinDr. Peter Wedde

Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Datenschutz, Arbeitsrecht und Technologieberatung in Eppstein.
 
 
 

Mehr Informationen finden Sie auf unserer Sonderseite zu Corona.

© bund-verlag.de (ls)

Das könnte Sie auch interessieren