Betriebsratswahl

12 Fragen zu Betriebsratswahlen in der Pandemie

12. Januar 2022 Betriebsratswahl
Corona_rot

Die Corona-Pandemie stellt die Arbeitswelt weiter auf eine harte Probe. Für die Betriebsratswahlen drohen massive Beeinträchtigungen. Können die Wahlen verschoben werden? Dürfen alle Briefwahl machen? Was ist mit der Stimmauszählung, wenn Homeoffice angesagt ist? Wir geben Antworten.

1. Kann man die Betriebsratswahl verschieben?

Eine Pandemie allein ist kein Grund, die Wahl zu verschieben. Sollte die persönliche Stimmabgabe im Betrieb aus Infektionsschutzgründen nicht möglich sein, kommt die Briefwahl (für alle) in Betracht (siehe dazu näher Ziff. 10). Hat der Wahlvorstand die Wahl durch Erlass des Wahlausschreibens eingeleitet, muss er sie zu Ende bringen. Der Abbruch der Wahl mit der Folge, dass der Wahlvorstand sie später erneut einleitet, ist unzulässig.

Ein Unterbrechen der Wahl und Verschieben des Wahltermins auf einen späteren Zeitpunkt ist ausnahmsweise möglich, wenn die Durchführung der Wahl aus zwingenden Gründen faktisch unmöglich ist oder sogar die Nichtigkeit der Wahl drohen würde. Allerdings findet sich weder im BetrVG noch in der Wahlordnung dafür eine ausdrückliche Regelung.

Tipp: Man sollte allerdings, um betriebsratslose Zeiten zu vermeiden, immer eher auf  Briefwahl (für alle) setzen, bevor eine Betriebsratswahl verschoben wird!

Mehr dazu findet Ihr bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 503ff.

2. Kann der Wahlvorstand in einer digitalen Betriebsratssitzung bestellt werden?

Ja. Dass Betriebsratssitzungen in gewissem Rahmen per Video- oder Telefonkonferenz zulässig sind, ist im neuen § 30 Abs. 2, 3 BetrVG geregelt.  Im Rahmen dieser digitalen Sitzungen sind Beschlussfassungen mit rechtlicher Wirkung möglich. So auch ein Beschluss für die Bestellung des Wahlvorstands. Voraussetzung ist u.a., dass die Rahmenbedingungen für digitale Sitzungen in einer Geschäftsordnung festgelegt sind.

Mehr dazu lest Ihr bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 477.

3. Kann der Wahlvorstand in einer digitalen Wahl- oder Betriebsversammlung bestellt werden, wenn kein Betriebsrat besteht?

Nein. Die Bestellung des Wahlvorstands auf einer digitalen Wahlversammlung ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die befristet bis 19.3.2022 geltenden Ausnahmeregelungen für Betriebsversammlungen können auf Wahlversammlungen nicht übertragen werden.

Mehr dazu lest Ihr bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 480

4. Ist im Pandemiefall der Weg zum Arbeitsgericht für die Bestellung des Wahlvorstands zu empfehlen?

Ja. Sind Betriebs- oder Wahlversammlungen aus Infektionsschutzgründen nicht möglich, so empfehlen viele Praktiker direkt den Weg zum Arbeitsgericht. Das ist für Wahlvorstandsbestellungen zuständig, wenn der Weg über die Wahlversammlung vorher gescheitert ist. Dafür muss eigentlich zunächst eine Einladung für eine solche Wahlversammlung ausgesprochen werden.

Auf der sicheren Seite sind die einladenden Arbeitnehmer oder die einladende Gewerkschaft, wenn sie in jedem Fall zu einer Wahlversammlung einladen. Wenn diese dann nicht stattfindet bzw. nicht stattfinden kann, ist der Rechtsweg eröffnet. Nach Ansicht vieler – so auch der Autoren der Bund-Verlags-Software P. Berg und M. Heilmann – ist aber eine solche Einladung obsolet, wenn wegen einer Pandemie die Durchführung einer Wahlversammlung in Präsenz unmöglich ist. 

Tipp: Details mit guten Argumenten für ein solches Vorgehen könnt Ihr nachlesen bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 481. Dort ist auch genau erklärt, warum hier der einstweilige Rechtsschutz zu empfehlen ist.

5. Darf der Wahlvorstand seine Beschlüsse digital fassen?

Ja. Die neue Wahlordnung sieht in § 1 Abs. 4, 5 vor, dass Wahlvorstandssitzungen und Beschlussfassungen per Video- oder Telefonkonferenz zulässig sind. Allerdings gilt dies nur für die die nicht-öffentlichen Sitzungen. Nicht per Video- oder Telefonkonferenz möglich sind daher:

  • Stimmauszählung
  • Bearbeitung der Briefwahlunterlagen
  • Prüfung der eingereichten Vorschlagslisten
  • Durchführung des Losverfahrens

Es ist alleinige Entscheidung des Wahlvorstands, ob er die digitale Sitzung bzw. Beschlussfassung wünscht. Der Arbeitgeber darf sich nicht einmischen. Nötig ist ein Beschluss des Wahlvorstands. 

Tipp: Ihr solltet gleich zu Beginn (auf der ersten Wahlvorstandssitzung beispielsweise) den Beschluss fassen, dass Ihr ab und an (oder immer) digitale Sitzungen abhalten wollt. Dann seid Ihr gerüstet. Denn ohne Beschluss geht es nicht!

6. Wie ist es mit der Erreichbarkeit des Wahlvorstands in Pandemiezeiten?

Steht dem Wahlvorstand pandemiebedingt, etwa wegen einer vorübergehenden allgemeinen Zugangsbeschränkung zum Betrieb, kein Sitzungs- oder Büroraum zur Verfügung, kann er einen geeigneten Raum außerhalb des Betriebs nutzen. Er kann einen solchen Raum auch bei Bedarf anmieten. Die Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen (§ 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG).

Von seltenen Ausnahmefällen abgesehen ist auch unter den Bedingungen einer Pandemie und auch bei Durchführung von Kurzarbeit und/oder Homeoffice für den überwiegenden Anteil der Belegschaft davon auszugehen, dass die Postzustellung an den Betrieb – und damit auch an die Betriebsadresse des Wahlvorstandes – funktioniert und dass die Mitglieder des Wahlvorstandes ihre Erreichbarkeit gewährleisten können.

Mehr dazu im Detail lest Ihr bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 484ff.

7. Wie gelangt das Wahlausschreiben an die Beschäftigten, die NICHT im Betrieb sind?

Startschuss für jede Betriebsratswahl ist das Wahlausschreiben, das – genau wie die Wahlordnung und die Wählerliste – im Betrieb bekannt gemacht wird. Der Wahlvorstand sorgt dafür, dass der Aushang des Wahlausschreibens bis zum letzten Tag der Stimmabgabe sichtbar und zugänglich ist.

Sind nun pandemiebedingt viele Beschäftigte (wegen Kurzarbeit oder Homeoffice) nicht im Betrieb, muss das Wahlausschreiben auch auf anderem Wege bekannt gemacht werden (E-Mail, Intranet, Postweg). Es muss gesichert sein, dass alle Beschäftigten Kenntnis von dem Wahlausschreiben haben.

Eine ausschließliche Bekanntmachung per E-Mail oder Intranet allerdings setzt voraus, dass allen Beschäftigten diese Informationskanäle zugänglich sind und Änderungen des Wahlausschreibens ausschließlich durch den Wahlvorstand vorgenommen werden können.

Mehr dazu lest Ihr bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 487

8. Können die Kandidatenvorschläge per Mail oder sonst digital eingereicht werden?

In Pandemiezeiten kann es für die Beschäftigten schwierig sein, die Wahlvorschläge mit den Kandidatenunterschriften und den Stützunterschriften zusammen zu bekommen. Dennoch gilt: Das Einreichen auf elektronischem Weg (per eingescannter Unterschrift o.ä.) ist nach aktueller Rechtslage nicht zulässig. Die Unterschriften sowohl der Kandidaten und Kandidatinnen und die Stützunterschriften müssen im Original vorliegen. Ob ein Arbeitsgericht während einer Pandemie die allein digitale Übermittlung der Unterschriften zulassen würde, ist sehr fraglich. Es ist daher dringend zu empfehlen, die Wahlvorschläge mit Originalunterschriften abzugeben.

Ausführliche Informationen und viele Tipps dazu, findet Ihr bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«, Rn. 488ff.  

9. Dürfen Fristen in Pandemiezeiten geändert werden?

Das kommt darauf an. Die gesetzlichen Fristen (wie z.B. die Frist zum Erlass des Wahlausschreibens, zur Einreichung von Wahlvorschlägen oder Einlegung von Einsprüchen) sind zwingend und können nicht abgeändert werden.

10. Ist in Pandemiezeiten Briefwahl für alle zulässig?

Nicht ohne weiteres. Zwar ist Briefwahl nach der neuen Wahlordnung leichter möglich. Allerdings muss einer der Fälle des § 24 WO vorliegen, damit Briefwahl zulässig ist. Dies ist u.a. der Fall, wenn Beschäftigte voraussichtlich aus Gründen der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses (z.B. Homeoffice, Außendienst, Telearbeit) oder aus anderen Gründen (z.B. Krankheit, Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit) am Wahltag nicht im Betrieb sind. In diesen Fällen muss der Wahlvorstand diesen Betroffenen unverlangt die Wahlunterlagen zusenden. Wer also am Wahltag z.B. wegen Homeoffice oder Kurzarbeit nicht im Betrieb ist, der bekommt die Wahlunterlagen – ohne dass er das beantragen muss – zugesandt und kann Briefwahl machen.

Rechtlich unklar sind die Fälle, wenn die Beschäftigten nicht 100 % im Homeoffice sind und damit eventuell nicht absehbar ist, ob sie am Wahltag im Betrieb sind oder eben nicht.

Folgende Konstellationen sind möglich:

  • Beschäftigte in Kurzarbeit Null: Diesen muss der Wahlvorstand unaufgefordert die Briefwahlunterlagen zusenden.
  • Beschäftigte in 100 % Homeoffice: Diesen muss ebenfalls der Wahlvorstand unaufgefordert die Wahlunterlagen zusenden.
  • Beschäftigte mit einem Tag Homeoffice pro Woche: Sie erhalten auf Antrag die Unterlagen, wenn absehbar ist, dass sie am Wahltag im Homeoffice sind.
  • Beschäftigte mit flexibel stattfindenden zwei oder drei Tagen Homeoffice pro Woche: Diesen wird der Wahlvorstand ebenfalls unaufgefordert die Wahlunterlagen zusenden müssen.
  • Beschäftigte, die erkranken oder unter Quarantäne gestellt werden: Diese müssen Briefwahl beantragen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sie voraussichtlich vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Wahltag nicht im Betrieb anwesend sein werden. 

Mehr dazu im Detail mit vielen Beispielen findet Ihr unter der Rn. 493ff. bei Berg/Heilmann, »Betriebsratswahl 2022«.

11. Was ist mit der Stimmauszählung?

Die Stimmauszählung ist öffentlich. Jeder hat das Recht, daran teilzunehmen. Damit soll die Wahlmanipulation ausgeschlossen werden. Gibt es im Betrieb einen ausreichend großen Raum, wird eine öffentliche Auszählung möglich sein. Ansonsten kann die Stimmauszählung auf Kosten des Arbeitgebers in einem externen Raum durchgeführt werden.

Sollte das aktuelle Infektionsgeschehen und die jeweils geltenden einschlägigen Infektionsschutzvorschriften die öffentliche Auszählung der Stimmen unter keinen Umständen zulassen, empfiehlt es sich, zu prüfen, ob die technischen Voraussetzungen zur Verfügung stehen, die vom Wahlvorstand dann in einer nicht öffentlichen Präsenzsitzung vorzunehmende Auszählung der Stimmen mittels audio-visueller Technik für die Belegschaft zugänglich zu machen.

Details dazu findet Ihr bei Berg/Heilmann Betriebsratswahl 2022« unter der Rn. 499 ff.

12. Ist eine Online-Betriebsratswahl zulässig?

Nein – nach derzeitiger Rechtslage nicht. Zwar steht im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung, dass anhand eines Pilotprojekts geprüft werden soll, ob die Online-Stimmabgabe funktioniert und daher auf Dauer als Modell für Betriebsratswahlen in Betracht kommen kann. Derzeit gibt es diese Option aber noch nicht. Rein digital durchgeführte Betriebsratswahlen sind daher höchstwahrscheinlich nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig.

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