Hochwasser

5 Fragen für vom Hochwasser betroffene Beschäftigte

21. Juli 2021 Hochwasser
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Quelle: pixabay

Nach der Flutkatastrophe stehen viele Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz. Können sich Beschäftigte von der Arbeit freistellen lassen, wenn ihr Zuhause vom Hochwasser betroffen ist? Was ist, wenn der Betrieb überflutet ist? Müssen Beschäftigte dann bei den Aufräumarbeiten helfen? Was passiert mit ihrem Gehalt? Antworten auf 5 Fragen gibt Prof. Dr. Wolfgang Däubler im Interview.

1. Können sich Beschäftigte von der Arbeit freistellen lassen, wenn ihr Zuhause vom Hochwasser betroffen ist?

Wolfgang Däubler:

Ja, ein Arbeitnehmer kann sich in einem solchen Fall auf § 616 BGB berufen. Danach behält er den Entgeltanspruch, wenn er durch einen »in der Person liegenden Grund« an der Arbeit gehindert ist. Zum persönlichen Bereich gehört auch das Zuhause, wo man retten muss, was noch zu retten ist, und sich notdürftig neu einrichtet. Die Arbeitsbefreiung gilt für eine »verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit«, was mindestens fünf Tage umfassen dürfte. Achtung: Wenn man wegen des Hochwassers oder wegen Straßensperren nicht an den Arbeitsplatz kommen kann, ist das kein in der Person liegender Grund. Man hat dann keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

2. Müssen Beschäftigte bei den Aufräumarbeiten helfen, wenn der Betrieb vom Hochwasser überflutet ist?

Wolfgang Däubler:

Ja, da müssen alle zusammenstehen. Auch der Prokurist darf nicht etwa sagen, er habe nach seinem Arbeitsvertrag nichts mit Sandsäcken und Pumpen zu tun.

3. Haben Beschäftigte weiter ihren Anspruch auf Gehalt, wenn der Betrieb geflutet wurde und sie nicht arbeiten können?

Wolfgang Däubler:

Auch hier muss ich mit einem »Ja« antworten. Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber. Wenn der Strom ausfällt oder das Fabrikgebäude abbrennt, muss er trotzdem das Entgelt fortbezahlen. Dasselbe gilt bei einer Überschwemmung. Allerdings kommt »Kurzarbeit null« in Betracht, wenn die Arbeitsunterbrechung einige Zeit dauert.

4. Was ist, wenn das eigene Büro im Betrieb vom Hochwasser zerstört wurde? Dürfen oder müssen Beschäftigte dann ins Homeoffice wechseln?

Wolfgang Däubler:

Die Situation ist ähnlich wie dann, wenn eine Betriebsabteilung unter Quarantäne gestellt wird. Im Einvernehmen kann man natürlich ins Homeoffice umziehen, wie man es auch bei Covid 19 gemacht hat. Der Arbeitgeber wird sich freuen, wenn auf diese Weise weitergearbeitet wird. Er muss sich allerdings – was meist nicht beachtet wurde – nach § 670 BGB an den Kosten für Miete, Strom, Reinigung usw. beteiligen. Insoweit gilt dasselbe wie bei einem Außendienstmitarbeiter, der mit dem eigenen Auto fährt.

Ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, ins Homeoffice zu ziehen, ist derzeit noch nicht entschieden. In einer Notsituation wie bei einer Überschwemmung wird man dies im Zweifel bejahen. Allerdings kann es Fälle geben, wo ein ungestörtes Arbeiten zu Hause nicht möglich ist. Hier muss der Arbeitgeber notfalls einen Ersatzraum anmieten.

5. Müssen Beschäftigte unentgeltliche Überstunden leisten, um mit andern zusammen die Überschwemmungsfolgen im Betrieb zu beseitigen?

Wolfgang Däubler:

Hier muss man differenzieren. Überstunden als solche muss ein Arbeitnehmer in Not- und Katastrophensituationen leisten, um den Betrieb möglichst schnell wieder in Gang zu setzen. Allerdings besteht keine Verpflichtung, ohne Vergütung zu arbeiten. So hat im Grundsatz auch das Arbeitsgericht Leipzig (4.2.2003 – 7 Ca 6866/02) entschieden, als es um die Beseitigung der Folgen der »Jahrhundertflut« von 2002 ging. Ein weitsichtiger Arbeitgeber wird deshalb seinen Betrieb gegen Elementarschäden versichern und damit alle wesentlichen Kosten auffangen können.

Der Interviewpartner

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Wolfgang Däubler

Dr. jur., Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Er ist einer der bekanntesten Arbeitsrechtler.

 

 

 

© bund-verlag.de (ls)

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