Tarifverhandlungen

5 Fragen zum Tarifrecht

29. Oktober 2020
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Quelle: © Alexander Raths / Foto Dollar Club

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst bringt mehr Geld für die Beschäftigten – oft das prominenteste Ziel in Tarifverhandlungen. Aber was kann eigentlich noch im Tarifvertrag geregelt werden? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Tarifrecht.

1. Was regeln Tarifverträge?

Ein Tarifvertrag ist ein Akt kollektiver Selbstbestimmung und wird zwischen zwei Tarifparteien, dem jeweiligen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverband geschlossen. Er enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche bzw. personalvertretungsrechtliche Fragen regeln und die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien festlegen. Zu den wichtigsten Tarifverträgen im öffentlichen Dienst zählen der TVöD sowie der TV-L.

2. Was gilt für wen?

Der Tarifvertrag gilt für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien, also für Mitglieder von Arbeitgeberverbänden und für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer(innen). In der Praxis behandeln Arbeitgeber ihre Beschäftigten meist gleich und wenden die Regelungen des Tarifvertrags auf alle Beschäftigten an; also auch auf diejenigen, die nicht Mitglied in der Gewerkschaft sind. Der Tarifvertrag gilt räumlich für das Gebiet, für das er abgeschlossen worden ist und für die dort genannte Branche oder das genannte Unternehmen. Persönlich kann er z. B. für alle Beschäftigten im Tarifgebiet oder für im Vertrag genau definierte Beschäftigtengruppen gelten.

HINTERGRUND In Deutschland gelten etwa 77.000 Tarifverträge. Schon daran sieht man, dass die Tarifautonomie im deutschen Arbeitsrecht einen hohen Stellenwert einnimmt. Der Anspruch auf das Durchführen von Tarifverhandlungen und den Abschluss von Tarifverträgen lässt sich aus der Koalitionsfreiheit des Grundgesetzes (Art. 9 Abs. 3 GG) ableiten. Dort heißt es: »Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.«

3. Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag – was heißt das?

Ist ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden, so gilt er nach § 4 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) unmittelbar und zwingend. Das bedeutet, Arbeitnehmer(innen) können sich auf den Tarifvertrag berufen und zwar auch dann, wenn sie nicht Mitglieder einer Gewerkschaft sind. Ein Abweichen von den tariflichen Normen ist dann nur zu ihren Gunsten möglich (sog. Günstigkeitsprinzip) oder dann, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich gestattet (sog. Öffnungsklausel).

4. Was, wenn der Tarifvertrag abläuft?

Jeder Tarifvertrag wird für eine bestimmte Laufzeit geschlossen. Ist er abgelaufen, gilt er noch solange weiter, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Im Nachwirkungszeitraum entfällt aber die zwingende Wirkung des Tarifvertrags: Er gilt zwar unmittelbar fort, kann nun aber durch einzelvertragliche Abmachung auch unterschritten werden. Das Günstigkeitsprinzip ist also nicht mehr zu beachten.

5. Was sind Tarifvorbehalt und -vorrang?

Der Tarifvorrang wird auch als Tarifvorbehalt bezeichnet. Letztendlich geht es darum, dass Dienstvereinbarungen, die von Personalräten mit der Dienststellenleitung geschlossen werden, nicht gegen Tarifverträge verstoßen dürfen. Zudem sind Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten eingeschränkt, wenn ein Tarifvertrag bereits eine entsprechende Regelung enthält (s. § 75 Abs. 3 Satz 1 sowie § 76 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Deshalb dürfen Dienstvereinbarungen grundsätzlich nicht von Tarifverträgen abweichen: Weder zugunsten noch zu Lasten der Beschäftigten.

Dirk Lenders, Rechtsanwalt, Anwaltskanzlei Lenders, Sankt Augustin.

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