Urlaubsabgeltung

Alt-Urlaub ist nicht per Kündigung zu retten

17. Januar 2019
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Quelle: © Sunny Images / Foto Dollar Club

Ein Arbeitnehmer kann mit einer fristlosen Eigenkündigung nicht verhindern, dass sein Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Urlaub verfällt. Auch wenn der Mitarbeiter dauerhaft arbeitsunfähig ist, muss sich der Arbeitgeber nicht auf eine fristlose Kündigung einlassen - so das Arbeitsgericht Siegburg.

Die strengen Regeln für den Verfall von Urlaubsansprüchen führen häufig zu Streit um die Abgeltung nicht genommener Urlaubstage. Denn das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unterscheidet nicht danach, ob ein Arbeitnehmer den Urlaub wegen Krankheit oder aus anderen Gründen nicht genommen hat.

Darum geht es:

Der Arbeitnehmer war langjähriger Mitarbeiter bei einem Gartenbauunternehmen. Seit September 2015 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Am 15.03.2018 kündigte er das Arbeitsverhältnisfristlos mit sofortiger Wirkung.

Seine Arbeitgeberin bestand darauf, dass er die ordentliche tarifliche Kündigungsfrist einhält und akzeptierte die Kündigung zum 15.04.2018. Sie zahlte dem Arbeitnehmer die Urlaubsabgeltung fürden vollen Jahresurlaub 2017 und anteilig für 2018. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auch auf Abgeltung des Jahresurlaubs für 2016.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichts musste der Kläger die ordentliche Kündigungsfrist einhalten.

Danach hatte der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs aus dem Jahr 2016. Die Ansprüche aus dem Jahr 2016 verfielen mit Ablauf des 31.03.2018, da das Arbeitsverhältnis erst zum 15.04.2018 beendet werden konnte.

Zwar erlöschen gesetzliche Urlaubsansprüche nicht vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit.

Dass der Kläger deshalb ein finanzielles Interesse daran hatte, seinen Abgeltungsanspruch zu sichern, ist aber kein hinreichender Grund für eine fristlose Kündigung. Der Kläger hatte es in der Hand, 2018 fristgerecht eine ordentliche Kündigung zu erklären. Dass er dies versäumt habe, konnte nach Auffassung des Gerichts dem Arbeitgeber nicht zum Nachteil gereichen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie:

Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu nehmen und zu gewähren (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Nur ausnahmsweise darf er in die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen werden. Ein Anspruch auf Abgeltung von Urlaubstagen in Geld besteht nur, wenn der Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

In den letzten zehn Jahren hat besonders der Europäischen Gerichtshof (EuGH)  die Rechtsprechung zum Urlaub geprägt, denn die Urlaubsgesetze der EU-Staaten müssen den Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) folgen. Zwei dieser Entscheidungen lagen dem Urteil des ArbG Siegburg zugrunde:

  • Im Jahr 2009 hatte der EuGH entschieden, dass es europarechtswidrig ist, wenn der Urlaub eines Arbeitnehmers ersatzlos verfällt, weil dieser ihn wegen Krankheit nicht nehmen konnte (EuGH 20.1.2009 - C 350/16).
     
  • Danach stellte der EuGH klar, das das nationale Urlaubsrecht die Ansammlung von Jahresurlaub zeitlich begrenzen kann, auch bei einem andauernd arbeitsunfähigen Beschäftigten. Die Verfallfrist müsse aber deutlich länger sein als der über dem Bezugszeitraum. In seinem Urteil hielt der EuGH einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten für ausreichend (EuGH 22.11.2011 - C-214/10).
  • Diese Vorgaben aus der Rechtsprechung des EuGH hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung für das nationale Recht umgesetzt: Danach gehen die gesetzlichen Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers, der durch Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert wird, erst »mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres« Der Verfall tritt nicht bereits vor diesem Zeitpunkt tageweise ein (BAG 22.9.2015 -9 AZR 170/14).
     

Mitbestimmung

Als Betriebsrat können Sie hier viel für die Beschäftigten erreichen, denn bei den Urlaubsgrundsätzen des Arbeitgebers und der betrieblichen Urlaubsplanung haben Sie ein zwingendes Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG). So können Sie z. B. mit dem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung regeln, ob und wie viele Urlaubstage Beschäftigte mit ins erste Quartal des neuen Jahres nehmen dürfen, damit diese nicht verfallen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

ArbG Siegburg (22.11.2018)
Aktenzeichen 5 Ca 1305/18
ArbG Siegburg, Pressemitteilung vom 8.1.2019
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