Mitbestimmung

Arbeitgeber muss Feierabend durchsetzen

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Quelle: fotomek_Dollarphotoclub

Wird eine Betriebsvereinbarung geschlossen, muss der Arbeitgeber alles Notwendige tun, um sie durchzusetzen. Ist ein Dienstplan vereinbart, muss der Arbeitgeber Zeitverstöße tatkräftig unterbinden. Ein bloßer Hinweis an die Belegschaft genügt nicht. Von Yuliya Zemlyankina.

Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Baumarktfilialen. In einer ihrer Niederlassungen schloss sie mit dem dort bestehenden Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur »Arbeitszeit und Dienstplangestaltung«. Hiernach wurde jeweils für sechs Wochen im Voraus mit der Zustimmung des Betriebsrates ein Dienstplan erstellt. In der Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass das Arbeitsende ohne Zustimmung des Betriebsrates bis zu 15 Minuten verlängert werden darf.

Es kam zu zahlreichen Abweichungen von den Dienstplänen. In den meisten Fällen berief sich die Arbeitgeberin auf die Fehler in der Zeiterfassung, auf Schichtverwechslungen und auf die eigenmächtige Überziehung durch die Mitarbeiter. Sie habe die Mitarbeiter auf die 15-Minuten-Regelung der Betriebsvereinbarung hingewiesen und angeordnet, dass das Schichtende nur mit Zustimmung der Geschäftsführung mehr als 15 Minuten überschritten werden darf. In einzelnen Fällen seien die Dienstplanabweichungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig gewesen.

Durchführungspflicht der Arbeitgeberin

Die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 77 Abs. 1 BetrVG, Vereinbarungen mit dem Betriebsrat tatsächlich umzusetzen, beinhaltet auch einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates. Der Unterlassungsanspruch entsteht dem Betriebsrat nicht erst dann, wenn die Arbeitgeberin selbst gegen die Betriebsvereinbarung verstößt. Der Anspruch besteht bereits, wenn die Arbeitgeberin nicht ausreichend dafür sorgt, dass die Beschäftigten in ihrem Betrieb sich an die Regelungen der Betriebsvereinbarung halten.

Handlungspflicht der Arbeitgeberin

Es war nicht ausreichend, die Beschäftigten lediglich auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung hinzuweisen. Die Maßnahmen der Arbeitgeberin waren nicht geeignet, um »Verstöße gegen die Beachtung der mitbestimmten Personaleinsatzpläne“ im eigenen Betrieb zu unterbinden. Vielmehr musste sie alles Mögliche und ihr Zumutbare unternehmen, um die Verstöße zu unterbinden.

Die Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung waren auch nicht gerechtfertigt, da es sich nicht um Notfälle handelte. Zudem sind auch die Notfälle mitbestimmungspflichtig. Mitbestimmungsfreie Notfälle liegen nach der ständigen Rechtsprechung nur bei Naturkatastrophen oder sonstigen Unfällen vor.

Einzelverstöße begründen Unterlassungsanspruch

Das Ausmaß der einzelnen Verstöße ist beim Unterlassungsanspruch des Betriebsrates aus § 23 Abs. 3 BetrVG relevant, wenn der Arbeitgeber seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Für den Anspruch aus § 77 Abs. 1 BetrVG muss es sich nicht um einen groben Verstoß handeln, die Dimension der Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung ist für diesen Anspruch nicht maßgeblich.

Pflicht zur Vertragstreue

Für den Unterlassungsanspruch aus § 77 Abs. 1 BetrVG ist entscheidend, dass die Arbeitgeberin als Vertragspartei eine Betriebsvereinbarung einhalten und beachten muss. Sie hat ihre Pflicht zur Vertragstreue verletzt, indem sie nicht hinreichend dafür gesorgt hat, dass sich ihre Beschäftigten an die Arbeitszeiten halten, die aufgrund der Betriebsvereinbarung in den Dienstplänen festgehalten sind.

Praxistipp:

Die Durchführungspflicht einer Betriebsvereinbarung liegt gemäß § 77 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitgeber. Das bedeutet, dass dem Betriebsrat grundsätzlich verwehrt ist, Betriebsvereinbarungen einseitig durchzuführen. Wie die obige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm bestätigt, muss der Arbeitgeber auch dafür Sorge tragen, dass sich Arbeitnehmer an die Regelungen einer Betriebsvereinbarung halten.

Kommt der Arbeitgeber dieser Pflichten nicht nach, kann der Betriebsrat es durch ein Beschlussverfahren und in Eilfällen durch eine einstweilige Verfügung durchzusetzen. In der Regel wird der Betriebsrat dann beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Handlung entsprechend Betriebsvereinbarung vornimmt oder wie indem besprochenen Fall, unterlässt.

Yuliya Zemlyankina, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Hamm (08.08.2017)
Aktenzeichen 7 TaBV 33/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 21.3.2018.
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