Arbeitsschutz an Schulen

Mehrarbeit, Digitalisierung, Pandemie – und jetzt?

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Die öffentliche Hand, als Arbeitgeber zuständig im Gesundheitsschutz, ist kein gutes Vorbild. Lehrkräfte hierzulande haben mit ihren Unterrichtspflichten und den Arbeitszeiten die EU-Spitzenposition inne. Nicht gerüstet für Digitalunterricht stolperten Kultusbehörden in die Pandemie-Krise. »Gute Arbeit« 10/2020 liefert Fakten, Folgerungen – und die Vorschriften für den Infektionsschutz.

Das Arbeitsschutzrecht ist universell, seine Umsetzung ist für Beschäftigte aller Branchen sicherzustellen. Doch der Staat nimmt sich seit Jahrzehnten die Freiheit, Maßnahmen, die er von privaten Arbeitgebern einfordert, dann nicht zu beachten, wenn er selbst Arbeitgeber und Dienstherr ist. Das Besondere beim »Arbeitsplatz Schule«: Die Verantwortung für die »technischen« Maßnahmen – vom Zustand der Gebäude bis zur Ausstattung – liegt oft nicht in der Zuständigkeit des Bundeslandes als Dienstherr der Lehrkräfte. Für den Zustand der Gebäude ist – bis auf wenige Ausnahme (z.B. Stadtstaaten) - meist die Kommune zuständig (Schulleistungsträger).

Aus dem Zuständigkeitswirrwarr folgt oft nicht die zu erwartende enge Kooperation und Partnerschaft mit den Kommunen, sondern im Gegenteil oft ein Eiertanz: Das äußert sich in einem unwürdigen Hin- und Herschieben der Verantwortung auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler. Ein Zustand, der in der Pandemie all denen um die Ohren fliegt, die den Bedingungen ausgesetzt sind: Lehrkräfte, Eltern und ihre Kinder.

Infektionsschutz jetzt

Ein Beitrag von Professor Wolfhard Kohte beleuchtet die akuten Aufgaben im Infektionsschutz und die Mitbestimmungsrechte der Personalräte. Alle Maßnahmen sind dringend zu ergreifen, um Schulöffnungen und Unterricht zu gewährleisten. Der Personalrat hat Mitbestimmung bei allen Aufgaben des Arbeitsschutzes nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), da es um auslegungsbedürftige und zu konkretisierende Rahmenvorschriften geht. Der Infektionsschutz muss vor Ort mitbestimmt geregelt werden, denn jede Schule hat andere Bedingungen.

Für die Lehrkräfte und andere Beschäftigte gilt ohne Wenn und Aber das Arbeitsschutzgesetz: mit der Gefährdungsbeurteilung nach den §§ 5-6 ArbSchG, mit der Unterweisung auf Grundlage der Ergebnisse (§ 12 ArbSchG) und der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen (inklusive Dokumentation). Eine weitere Besonderheit: Nach DGUV Vorschrift 1 (Grundsätze der Prävention) gelten alle Schutz- und Präventionsmaßnahmen auch für Schüler*innen, denn sie stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallkassen der Bundesländer). Das staatliche Arbeitsschutzrecht gilt auch zugunsten der Versicherten, die keine Beschäftigten sind.

AHA-Regeln, Lüftung, Hygieneplan

Beim Infektionsschutz sind die Organisation der Abstände und die Einhaltung hygienischer Standards sicherzustellen (§§ 3, 4 Nr. 3 ArbSchG). Bedeutend ist der Hygieneplan für die einzelne Schule (§ 36 Infektionsschutzgesetz) – auf Grundlage der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung. Das heißt z.B.:

  • angepasste Reinigungs- und Desinfektionspläne
  • ausreichend viele/große Sanitärräume, Waschbecken mit möglichst Warm- und Kaltwasser, Seife, Desinfektionsmittel, Einmalhandtücher etc.
  • TOP-Prinzip: erst technische, dann organisatorische, zuletzt persönliche Maßnahmen umsetzen wie das Tragen der Mund-Nase-Bedeckung
  • begegnungsarme Schule: Einbahnstraßenregelungen, getrennte Pausenbereiche, zeitversetzte Pausen
  • eingeschränkte Nutzung von Gemeinschaftsräumen, Umkleiden und Sporteinrichtungen
  • Unterrichtung möglichst in festen Gruppen und Räumen
  • Regelmäßige Lüftung: mindestens vor der Stunde, einmal in der Stunde und nach der Schulstunde (Stoßlüftung)
  • Unterweisung der Lehrkräfte und Schüler*innen in allen Schutzmaßnahmen.

Arbeitszeiten steigen an

Die Arbeitszeitbelastung der Lehrkräfte steigt seit Jahren: Unterrichtspflichten nach Schultyp wurden kaum reduziert, wohl aber den Lehrenden zusätzliche Aufgaben erteilt. Im internationalen Vergleich sind die Soll- und Regelarbeitszeiten für Lehrkräfte hoch - in Bezug auf die Unterrichtsstundenpflicht als auch hinsichtlich der gesetzlichen Jahresarbeitszeit. Eine Metastudie belegt eine deutliche Verschiebung von Unterricht und unterrichtsnaher Lehrarbeit hin zu außerunterrichtlichen Tätigkeiten.

Hinzu kommt aktuell ein erheblicher Mehraufwand in der Pandemie, den Lehrkräfte seit dem März schultern. Schon vor dem Lockdown im März haben die meisten GEW-Mitglieder an Schulen (Umfrage 2020) digitale Medien und Kommunikationsmittel als Standard positiv eingeschätzt. Doch es mangelt an allem: an technischer Ausstattung (Hard- und Software), Internet mit WLAN, Weiterbildungen, IT-Service und -Infrastruktur sowie Unterrichtsmaterialien; den Schüler*innen fehlen passende Endgeräte und der Zugriff auf die (vorhandenen) Schulserver.

Weitere Informationen

In der Ausgabe »Gute Arbeit« 10/2020 (S. 8-23) das umfassende Titelthema: »Arbeitsschutz an Schulen – Belastungen und fehlende Konzepte in der Pandemie« mit diesen Beiträgen:

  • Gesa Bruno-Latocha, Annabell Kolbe (GEW): »Lehrkräfte: Motiviert und hoch belastet« (S. 8-11).
  • Prof. Dr. Wolfhard Kohte: » Infektionsschutz an Schulen - jetzt!« (S. 20-23).
  • Dr. Frank Mußmann: »Arbeiten ohne Ende: 5 Trends an Schulen« (S. 12-16).
  • Dr. Birgitta Dusse (GEW): »Digitalisierung – von 0 auf 100« (S. 17-19).

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