Arbeitsschutz

Covid-19 überstanden, aber nicht genesen

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Quelle: © Peter Atkins / Foto Dollar Club

Eine Covid-19-Infektion zu überstehen ist das eine, das Bewältigen möglicher Langzeitfolgen das andere. Sabrina Burkart erläutert in »Gute Arbeit« 3/2022 in zwei Beiträgen die arbeits- und sozialrechtlichen Abläufe sowie die finanzielle Absicherung bei langer Krankheit. Und sie geht auf das wichtige Verfahren der stufenweise Wiedereingliederung ein.

Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen leiden 5% bis zu 15% aller Covid-19-Patient:innen am sogenannten Long- oder Post-Covid-Syndrom: Von Long Covid spricht die Medizin, wenn Beschwerden länger als vier Wochen seit der Infektion anhalten. Post-Covid beschreibt das Krankheitsbild ab der 12. Woche nach der ursprünglichen Infektion.

Die Symptome sind vielfältig: Sie reichen von (länger anhaltenden) Riech- und Schmeckstörungen, über Atembeschwerden und Brustschmerzen, Kopfschmerzen und kognitiven Einschränkungen bis hin zu Leistungs- und Aktivitätsbeeinträchtigungen, Schlafstörungen und Depressionen sowie dem Chronischen Fatigue Syndrom (CFS, bleierne Müdigkeit, Schwäche). Zudem sind bei einigen Patient:innen Herz-/Kreislauferkrankungen und vielfältige Beschwerden der inneren Organe aufgetreten.

Lange Krankheitszeiten bewältigen

Unabhängig von den gesundheitlichen und medizinisch-therapeutischen Fragen, wirkt sich Post- bzw. Long Covid auf die Arbeitsfähigkeit, die Gestaltung des Arbeitsplatzes sowie die finanzielle Situation der Betroffenen aus, wenn die Langzeitbeschwerden lange Krankheitszeiten verursachen. Damit werden arbeits- und sozialrechtliche Fragen aufgeworfen, auch die Problematik der beruflichen Teilhabe und der Wiedereingliederung. Sabrina Burkart geht auf die spezifische Situation nach Covid-19 ein, erklärt aber auch unabhängig davon die wichtigsten Fragen bei langer Arbeitsunfähigkeit:

  • Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht gegenüber dem Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen oder 42 Kalendertage.
  • Krankengeld wird nach der Entgeltfortzahlen für bis zu maximal 78 Wochen gezahlt von der Krankenkasse gezahlt (in der Regel 70% vom Bruttolohn, jedoch höchstens 90% vom Netto).
  • Stellt sich nach einem Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen heraus, dass die Gefahr der Erwerbsminderung besteht, kann sie Versicherte auffordern, bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Rehabilitation oder Erwerbsminderungsrente zu stellen.
  • Wer weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, kann eine befristete Erwerbsminderungsrente für bis zu drei Jahre zu erhalten; wer mehr als drei Stunden arbeiten kann, hat unter Umständen die Möglichkeit zum Bezug einer teilweisen Erwerbsminderungsrente.

Stufenweise Wiedereingliederung

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM, nach § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - SGB – IX) muss der Arbeitgeber allen Beschäftigten anbieten, die länger als sechs Wochen in den letzten 12 Monaten arbeitsunfähig erkrankt waren. Es geht im BEM darum, in einem umfassenden Suchprozess Arbeitsgestaltungs- und Unterstützungsmaßnahmen zu entwickeln, um präventiv künftiger Arbeitsunfähigkeit (AU) entgegenwirken und einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen möglichst frühzeitig zu begegnen.

Die stufenweise Wiedereingliederung, geregelt im Sozialgesetzbuch V (§ 74 SGB V), ist eine der möglichen Maßnahmen, die im Rahmen des BEM erörtert und umgesetzt werden können. Länger Erkrankte werden Schritt für Schritt mit einer Steigerung des täglichen Arbeitszeitvolumens und/oder dem (zunächst) reduzierten Aufgabenzuschnitt an die bisherige oder eine andere berufliche Tätigkeit herangeführt.

Die Regelung des § 74 SGB V gründet auf der Praxis, die als »Hamburger Modell« bekannt wurde. Wichtig zu wissen: Die Interessenvertretungen sollten betrieblich vereinbaren, dass der Arbeitgeber das Hamburger Modell anwendet und anbietet. Es besteht bisher keine Verpflichtung dazu, es handelt sich um eine Kann-Leistung, die aber gerade nach schweren Erkrankungen und Rehabilitationsmaßnahmen die Aufnahme der beruflichen Tätigkeit ideal unterstützt.

Das Hamburger Modell bedeutet: Beschäftigte sind weiterhin krankgeschrieben, der Arbeitgeber zahlt (noch) keinen Lohn, Arbeitnehmer:innen nehmen die Arbeit nach einem Stufenplan des behandelnden Arztes auf und steigern langsam ihr Leistungsvermögen. Die ausführlichen Beiträge von Sabrina Burkart in »Gute Arbeit« 3/2022 enthalten viele weitere Grundlageninformationen.

Weitere Informationen

Alle Beiträge des Titelthemas lesen: »Long Covid – Schutz für Beschäftigte bei langer Krankheit«, Zeitschrift »Gute Arbeit« 3/2022 (S. 8-23):

  • Interview mit Prof. Dr. C. Scheibenbogen (Fatigue-Zentrum, Charité Berlin): »Corona-Infektion kann die Gesundheit schädigen« (S. 8 ff.)
  • S. Burkhardt »Covid-19 überstanden, aber nicht genesen« (S. 12 ff.)
  • S. Burkhardt »Wiedereingliederung und finanzielle Absicherung« (S. 15 ff.)
  • K. Wüst (Senat Berlin): »Covid-19 und das Berufskrankheitenrecht« (S. 19 ff.)
  • A. Conrad: »Hilfe zur Selbsthilfe« (S. 23 ff.)

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