Mitbestimmung

Wann die Social Media der Dienststelle mitbestimmungspflichtig sind

05. Mai 2023
Social Media
Quelle: pixabay

Betreibt eine öffentliche Dienststelle in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, können diese technische Einrichtungen zur Überwachung von Verhalten und Leistung der Beschäftigten darstellen. Als solche unterliegen die Social-Media-Auftritte der Mitbestimmung des Personalrats - so das Bundesverwaltungsgericht.

Darum geht es

Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält (teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern) im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle.

Die dort eingestellten Beiträge können Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint.

Das sagt das Bundesverwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann.

Nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen:

  • "bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seit 15. Juni 2021 geltenden Fassung, entspricht § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der Fassung bis zum 14. Juni 2021).

Schutzzweck beginnt schon im Vorfeld von Überwachungen

Dieses Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten.

Dieser Schutzzweck gebietet es, so das BVerwG, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen.

Denn es birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle diese Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Beschäftigten "bestimmt" sein. Für ein solches Bestimmtsein reicht es aus, dass die Datenspeicherung möglich und objektiv zur Überwachung geeignet ist.

Wann ist ein soziales Medium zur Überwachung geeignet?

Bei den offenen Kommentarfunktionen sei ungewiss, ob, wann und in welchem Umfang Dritte dort tatsächlich Kommentar zu Verhalten oder Leistungsdaten durch Dritte abgeben. Ob das soziale Medium zur Überwachung geeignet sei, hänge davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich sei, dass dort entsprechende Nutzerkommentare eingestellt werden.

Um dies zu beantworten, sei zunächst die Konzeption des Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien von Bedeutung, den die Dienststelle inhaltlich verantwortet: 

  • Berichtet die Dienststellenleitung beispielsweise selbst über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld und lenkt damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten, können hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden.
     
  • Demgegenüber seien entsprechender Kommentare nicht hinreichend wahrscheinlich zu erwarten, wenn der Auftritt der Dienststelle lediglich sachbezogen und in allgemeiner Form über Aufgaben und Tätigkeit der Dienststelle informiert, etwa durch Pressemitteilungen und ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten.
     
  • Darüber hinaus sei das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

Komme es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, könne die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein.

Dabei sei auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht.

Neues Verfahren

Da das Oberverwaltungsgericht zu diesen Fragen bisher nicht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, hat das BVerwG den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.

Hinweis für die Praxis

Das BVerwG hat schon in der Pressemitteilung anklingen lassen, dass es dem digitalen Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten und dem Schutz vor Dauerüberwachung hohen Stellenwert einräumt. Ebenso betont das Gericht, dass Personalräte berechtigt und verpflichtet sind, diesen Schutz durch die Mitbestimmung zu gewährleisten. Da ja bekannt sein dürfte, wie schnell es in den Social Media lebhafte Diskussionen in Mobbing und Stalking umschlagen können, ist es natürlich besonders wichtig, dass es klare Regeln gibt, um die offiziellen Seiten und Kanäle der Dienststellen davon freizuhalten - auch dabei müssen und sollen die Personalräte mit im Boot sein. 

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BVerwG (04.05.2023)
Aktenzeichen 5 P 16.21
Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung vom 4.5.2023
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