Zustimmungsersetzungsverfahren

Fristlose Kündigung nur bei Arbeitszeitbetrug

29. April 2022
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Quelle: Coloures-pic_Dollarphotoclub

Die unterlassene Korrektur eines Arbeitszeitnachweises rechtfertigt vorliegend keine fristlose Kündigung, wenn dies nicht in der Absicht erfolgt ist, den Arbeitgeber über die tatsächlichen Arbeitszeiten zu täuschen.

Die Antragstellerin betreibt ein Reinigungsunternehmen. Die Mitarbeiterin M ist dort seit 1999 als Reinigungskraft beschäftigt und seit Mai 2021 Vorsitzende des 3-köpfigen Betriebsrats. Die Antragstellerin stellt ihren Mitarbeitern regelmäßig zu Monatsbeginn die monatlichen Arbeitszeitnachweise vorausgefüllt zur Verfügung. Abweichungen sind von den Mitarbeitern selbst handschriftlich vorzunehmen und abzuzeichnen. Für den Ausgleich von Sonntagsarbeit beantragte M mit E-Mail vom 11.8.2021 einen Ausgleichstag – statt wie geplant auf den 30.8.2021 – auf den 3.9.2021 zu legen. Den Arbeitszeitnachweis für den Monat September 2021 erhielt M erst am 9.9.2021. Darin war der 3.9.2021 fälschlicherweise als Arbeitsleistung eingetragen. M unterließ es, dies zu korrigieren. Stattdessen notierte sie für den 3.9.2021 eine halbstündige Betriebsratstätigkeit, welche tatsächlich am 2.9.2021 stattgefunden hatte. Nachdem dies im Oktober 2021 aufgefallen war, beantragte die Antragstellerin beim Betriebsrat wegen Arbeitszeitbetrugs die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin, was der Betriebsrat verweigerte. Die Arbeitgeberin leitete das Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 103 Abs. 2 BetrVG ein.

Das sagt das Gericht

Das ArbG Gera wies den Antrag zurück. Das Gericht war davon überzeugt, dass die Mitarbeiterin die Korrektur nicht mit der Absicht unterlassen habe, die Arbeitgeberin über ihre Arbeitszeit zu täuschen. Dies ergäbe sich schon aus der Tatsache, dass die Mitarbeiterin sich bezüglich der Eintragung der halbstündigen Betriebsratstätigkeit im Datum geirrt habe. Außerdem habe die Arbeitgeberin selbst den falsch ausgefüllten Arbeitszeitnachweis ausgehändigt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt wusste, dass der 3.9.2021 als Ausgleichstag genehmigt worden war. Dies habe irrtümliche Eintragungen im Arbeitszeitnachweis begünstigt. Allein die unterlassene aufmerksame und sorgfältige Prüfung des nachträglich überreichten Arbeitszeitnachweises könne unter Berücksichtigung eines seit dem Jahre 1999 ungestört verlaufenden Arbeitsverhältnisses und ohne Vorliegen einer einschlägigen Abmahnung eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen.

Praxistipp

Normzweck und -inhalt des § 103 Abs. 1 und 2 BetrVG entsprechen weitgehend dem § 55 Abs. 1 BPersVG n.F. Handelt es sich bei dem Personalratsmitglied um einen Arbeitnehmer, muss die kündigende Dienststelle vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung die Zustimmung des Personalrats einholen.  Verweigert der Personalrat seine Zustimmung oder äußert er sich nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Antragseingang, ist beim Verwaltungsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Personalrats zu beantragen. Mit Blick auf § 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Dienststellenleiter nicht nur den Antrag auf Zustimmung beim Personalrat innerhalb der zweiwöchigen Frist zu stellen, sondern bei dessen verweigerter Zustimmung auch das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung beim Verwaltungsgericht einzuleiten. Dies kann sich der Personalrat zunutze machen. Reagiert er nicht auf das Ersuchen des Dienststellenleiters, muss letzterer die in § 55 Abs. 1 BPersVG n. F. vorgesehenen drei Arbeitstage abwarten, bevor er das gerichtliche Verfahren einleiten darf – wertvolle Zeit, die möglicherweise das Einhalten der Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB erschwert.

Albane Lang, Richterin am Arbeitsgericht

Quelle

Arbeitsgericht Gera (08.03.2022)
Aktenzeichen 3 BV 7/21
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