Mitarbeiterüberwachung

Keine Überwachung ins Blaue hinein

15. Januar 2021
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Quelle: © Light Impression / Foto Dollar Club

Arbeitgeber dürfen ihre Beschäftigten nur überwachen lassen, wenn ein triftiger Grund vorliegt. Überwachungen ins Blaue hinein aufgrund pauschaler Vermutungen sind unzulässig. Die gewonnenen Beweise sind im Kündigungsschutzprozess nicht verwertbar – so das LAG Berlin-Brandenburg.

Das war der Fall

Der Arbeitgeber kündigt einem langjährigen Vertriebsmitarbeiter. Dieser habe seine Anwesenheitszeiten und seine Reisekostenabrechnung manipuliert und mehr Zeiten angegeben als faktisch gearbeitet. Diese gravierende Pflichtverletzung stelle einen Grund für eine (fristlose oder hilfsweise fristgemäße) verhaltensbedingte Kündigung dar.

Allerdings deckte der Arbeitgeber diese Pflichtverletzungen auf, weil er eine Detektei beauftragt und den Beschäftigten mit vier Mitarbeitern an mehreren Tagen engmaschig überwacht hat. Der gekündigte Arbeitnehmer ist daher der Meinung, die Überwachung sei rechtswidrig und die gewonnenen Erkenntnisse könnten im Kündigungsschutzprozess nicht gegen ihn verwertet werden.

Das sagt das Gericht

Die Kündigungen sind unwirksam. Falsche Angaben in der Reisekostenabrechnung können einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung darstellen. Der Arbeitgeber hat die Beweise dafür allerdings durch eine unzulässige Überwachung gewonnen. Die Beweise sind nicht verwertbar.

Keine Ermittlung „ins Blaue hinein“

Das Observieren eines Arbeitnehmers durch Detektive ist ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des überwachten Arbeitnehmers. Ein solcher Eingriff ist nur im Ausnahmefall zulässig, wenn ein triftiger Grund vorliegt. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) findet Anwendung und setzt die Kriterien dafür fest: Eine Überwachung könnte zulässig sein, wenn ein konkret nachweisbarer Verdacht für das Vorliegen einer Straftat oder einer arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung besteht (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG). Eine verdeckte Ermittlung "ins Blaue hinein", ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist in jedem Fall unzulässig.

Die Richter weisen explizit darauf hin, dass allgemeine Zweifel, ob jemand nicht mehr so richtig gut arbeitet, für eine Überwachung durch eine Detektei nicht ausreichen. Vor allem muss der Arbeitgeber – bevor er einen so schwerwiegenden Schritt wie die Überwachung angeht - zunächst andere verfügbare Erkenntnisquellen nutzen. Der Arbeitgeber hätte vor allem zunächst auf die Daten des im Unternehmen gebräuchlichen CRM Systems zurück greifen müssen, um eventuell Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung aufzudecken.

Das muss der Betriebs- oder Personalrat beachten

Die Überwachung von Mitarbeitern ist in engen Grenzen zulässig. Der Arbeitgeber darf einen Detektiv einschalten, wenn ein begründeter Verdacht einer Straftat oder einer schweren arbeitsrechtlichen Verfehlung vorliegt. Der Verdacht muss konkret und klar begründet sein. Die Anforderungen sind – zum Glück – hoch!

Betriebs- und Personalräte haben durchaus Beteiligungsrechte, wenn es um den Einsatz von Detektiven im Unternehmen geht. Denn sie müssen den Arbeitgeber kontrollieren, ob er sich bei der Überwachung durch Detektive an alle gesetzlichen Vorschriften (und damit vor allem an den Datenschutz) hält, was hier ja nicht der Fall war. Setzt der Arbeitgeber technische Geräte ein (Videoüberwachung), dann greifen die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bzw. § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (11.09.2020)
Aktenzeichen 9 Sa 584/20
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