Kündigung

Neue Tatsachen sind dem Betriebsrat vorzulegen

30. Juli 2021 Kündigung
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Quelle: © S. Engels / Foto Dollar Club

Stützt der Arbeitgeber eine erneute Kündigung auf aus seiner Sicht neue Erkenntnisse, muss er diese dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung vortragen. Ein pauschaler Hinweis, dass es einen neuen Verdacht gebe, genügt nicht. Das zeigt ein Urteil des LAG Köln.

Das war der Fall

Die Klägerin ist seit 1993 bei einen Fleischverarbeitungsbetrieb mit ca. 180 Mitarbeitern in Köln angestellt. Seit dem Jahr 2018 ist sie Betriebsratsvorsitzende. Die Arbeitgeberin stützte die fristlosen Kündigungen, zuletzt die im Berufungsverfahren streitige Kündigung vom 15. Mai 2020, unter anderem darauf, dass sich die Klägerin einen Betriebsratssitz erschlichen habe. Sie habe als Mitglied des Wahlvorstands den Arbeitgeber und die Belegschaft darüber getäuscht, dass das Minderheitengeschlecht jedenfalls mit einem Sitz im Betriebsrat vertreten sein müsse.

Das sagt das Gericht

Die Berufung der Arbeitgeberin enthält keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden. Weder eine Vertiefung des Verdachts der Täuschung über das Wahlergebnis, über den das ArbG Köln im Übrigen erstinstanzlich abschließend entschieden hatte, noch der Verdacht eines Arbeitszeitbetruges als sowie eines Prozessbetrugs konnte das LAG Köln feststellen. Hinsichtlich der verbrauchten Kündigungsgründe stellt das LAG Köln zudem klar, dass kein hinreichender Tatverdacht für die Annahme der Täuschung bei der Wahl bestehe. Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, hätte die Arbeitgeberin nicht innerhalb der Zwei-Wochenfrist nach § 626 Abs.2 BGB die neue Kündigung erklärt. Beginnend mit Kenntnis der Beklagten am 8. April 2020 war diese Frist am 22. April 2020 verstrichen, die auf diese als neu bezeichneten Erkenntnisse gestützte Kündigung im Mai also zu spät.

Für eine wirksame Kündigung fehlt es zudem an der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats, nach § 102 Abs.1 BetrVG. Der Arbeitgeber genügt seinen Mitteilungspflichten nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen. Die Darlegungslast für den korrekten Tatsachenvortrag trägt der Arbeitgeber. Im Fall ist das Anhörungsschreiben, das der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Kündigung vorgelegt hatte, ohne jegliche konkrete Darstellung eines - neuen oder verstärkenden - Fehlverhaltens der Klägerin. Hier wäre es umso wichtiger, dass dem Betriebsrat die neuen Gründe im Verhältnis zur ersten Kündigung dargelegt werden, damit dieser die andere Sachlage beurteilen könne, so das LAG Köln.

Kein wichtiger Kündigungsgrund

Doch selbst bei Annahme eines Prozessbetrugs fehlte auf der zweiten Stufe der Kündigungsprüfung der wichtige Kündigungsgrund nach § 626 Abs.1 BGB: Der Arbeitgeberin wäre es nach der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung des Interessen beider Vertragsteile der Beklagten zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, wenn nicht sogar eine Abmahnung anstelle der Kündigung auszusprechen. Hierbei wäre vor allem zu berücksichtigen, dass die der Klägerin vorgeworfene Äußerung in einem »mit harten Bandagen« geführten Beschlussverfahren zum Ausschluss der Klägerin als Betriebsratsmitglied im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Interessen erfolgte.

Das muss der Betriebsrat wissen

Der Fall macht eines deutlich: Der Anhörung des Betriebsrats kommt im Rahmen eines Kündigungsverfahrens eine besondere Bedeutung zu. Daher gilt es, sorgfältig zu arbeiten und klar auftzarbeiten, wobei es sich um neue Erkenntnisse handelt und welche tatsachen möglicherweise bereits bei einer vorherigen Kündigung »verbraucht« worden sind. 

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

LAG Köln (18.03.2021)
Aktenzeichen 8 Sa 833/20
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