Arbeitszeit

Ruhephasen haben Vorrang vor Schichteinteilungen

02. Februar 2021
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Quelle: fotomek_Dollarphotoclub

Ein Mitglied des Personalratsvorstands, das nach einer Arbeitsschicht an einer Sitzung teilnehmen muss, darf die Arbeit in dieser Schicht vorzeitig beenden, um eine ununterbrochene Mindestruhezeit von zehn Stunden sicherzustellen. Das geht aus einem Urteil des BAG hervor.

Das war der Fall

Ein Mitglied im Vorstand des Personalrats und Fahrzeughandwerker bei einem Nahverkehrsunternehmen war der Ansicht, dass die vorgesehene Arbeitszeit auch dann seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben sei, wenn er zur Wahrung der Mindestruhezeit von zehn Stunden früher als laut Dienstplan vorgesehen wegen einer nachfolgenden Vorstandssitzung des Personalrats seine Nachtschicht beende. Sein Arbeitszeitkonto richtet sich nach dem TV-N Berlin sowie der Rahmendienstvereinbarung »Flexibilisierung von Arbeitszeiten«. Sitzungen des Personalratsvorstandes finden am ersten und dritten Freitag im Monat ab 12:00 Uhr oder 12:30 Uhr statt.

Das sagt das Gericht

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht entsprochen, so das BAG. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin darf das Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, keine finanziellen Einbußen nach sich ziehen. Bei Sitzungen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit und wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die vor oder nach der Personalratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, besteht gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin ein Anspruch auf bezahlte Freistellung – und das gilt laut BAG entsprechend auch für die Sitzung des Personalratsvorstands außerhalb der Arbeitszeit. Der Vorstand führe die Geschäfte, und der Kläger sei verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen. Daher ist eine vollständige Schicht vor einer Sitzung unzumutbar.

Das Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben, die nach § 5 Abs. 2 ArbZG in Verkehrsbetrieben unter bestimmten Voraussetzungen um bis zu eine Stunde verkürzt werden kann. Diese verkürzte Ruhezeit kann allerdings nicht im Anschluss an Schichtdienst und Vorstandssitzung des Personalrats liegen. Das verhindert die EU-rechtlich gebotene Auslegung des § 5 ArbZG, wonach die Ruhezeit innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden nach Beginn der Arbeitszeit zur Verfügung stehen muss (Richtlinie 2003/88/EG). Der 24-Stunden-Zeitraum beginnt mit der tatsächlichen Arbeitsaufnahme. Das dient dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und führt dazu, dass auf jede Arbeitsperiode eine Ruheperiode folgt.

Die Nachtschicht des Klägers beginnt am Donnerstag um 21:55 Uhr, so dass der 24-Stunden-Zeitraum am Freitag um 21:55 Uhr endet. Da die Sitzungen des Personalratsvorstands am Freitag um 12:00 Uhr oder um 12:30 Uhr beginnen, kann unabhängig von der Dauer der Sitzungen zwischen deren Ende und dem Ende des 24-Stunden-Zeitraums keine Mindestruhezeit von zehn Stunden eingehalten werden.

Ob die Teilnahme an den Vorstandssitzungen Arbeitszeit ist, lässt das BAG offen. Es stellt auf den Schutzweck des Arbeitszeitgesetzes ab, den Gesundheitsschutz, und stellt klar: Die durch § 5 Abs. 1 ArbZG gewährleistete Erholungszeit ist durch Personalratstätigkeit, unabhängig davon, ob diese Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne darstellt, in vergleichbarer Weise beeinträchtigt wie durch die Erbringung von Arbeitsleistung.

Das muss der Personalrat wissen

Genau wie Personalratssitzungen dürfen auch Vorstandssitzungen nicht zu finanziellen Einbußen führen – und auch nicht zu Gesundheitsgefährdungen. Daher haben Ruhephasen Vorrang vor Schichteinteilungen. Notfalls dürfen Personalratsmitglieder die Arbeit niederlegen, um vorgeschriebene Ruhezeiten einzuhalten, wenn eine Sitzung terminiert ist.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BAG (16.09.2020)
Aktenzeichen 7 AZR 491/19

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