Aus »Arbeitsrecht im Betrieb«

Sozialplan ohne Alternative

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Quelle: © Kzenon / Foto Dollar Club

Im Betrieb droht Personalabbau. Was kann der Betriebsrat tun, um trotz allem die Arbeitsplätze zu erhalten? Was kann er im schlimmsten Falle tun, um den Kolleginnen und Kollegen existenzielle Sorgen zu ersparen? Das alles erfahren Sie in dem Beitrag von Prof. Wolfgang Däubler in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 5/2021.

Die gesetzliche Regelung ist beim Thema Personalabbau überschaubar. Plant der Arbeitgeber eine Betriebsänderung, insbesondere einen Personalabbau von einer bestimmten Größenordnung, so muss er mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandeln. Das Ob und Wann des Personalabbaus ist Thema des Interessenausgleichs, Abfindungen und andere Ausgleichsleistungen werden im Sozialplan festgelegt. Der Interessenausgleich ist nicht erzwingbar, aber der Arbeitgeber muss so lange verhandeln, bis alle Argumente ausgetauscht sind. Zu diesem Zweck muss er sogar die Einigungsstelle anrufen. Erst wenn auch dort trotz intensiver Bemühungen keine Einigung zustande kommt, darf der Arbeitgeber zur Tat schreiten, also beispielsweise Kündigungen aussprechen. Macht er dies vor diesem Zeitpunkt, schuldet er einen Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG.

Nach der Rechtsprechung der meisten (aber nicht aller) Landesarbeitsgerichte kann ihm sogar durch einstweilige Verfügung verboten werden, vor Abschluss der Verhandlungen über den Interessenausgleich Kündigungen auszusprechen. Anders sind die Regeln für den Sozialplan. Hier besteht ein volles Mitbestimmungsrecht; notfalls setzt die Einigungsstelle durch Spruch fest, wie hoch die Abfindungen sein sollen. Dabei spielt die »Vertretbarkeit« für das Unternehmen eine wichtige Rolle. Das alles läuft nicht immer glatt und harmonisch. Auf beiden Seiten geht es um sehr viel – und deshalb kämpft man oft mit harten Bandagen. Einige typische Situationen sollen hier geschildert werden. Wie man dabei für die Betroffenen das Beste herausholt, wird uns im Folgenden beschäftigen.

Personalabbau in kleinen Schritten

Aus der Praxis wird nicht selten von einer »Salamitaktik« des Arbeitgebers berichtet: Es wird immer nur eine kleinere Anzahl von Arbeitsverhältnissen aufgelöst, so dass der Schwellenwert für eine Betriebsänderung nicht überschritten ist. Mal lagert man einige Aufgaben aus der Personalabteilung aus, dann werden einige Leute im Vertrieb gekündigt, weil man auch mit weniger Mitarbeitern auskomme. Drei Wochen später fällt plötzlich ein größerer Auftrag weg, weshalb man die Produktion zurückfährt und einige Leute »überflüssig« werden. Und die Filiale X hat eigentlich seit längerem keinen ausreichenden Deckungsbeitrag mehr geleistet; nun sind die dortigen Beschäftigten dran. Würde man alles im Zusammenhang sehen, läge von der Größenordnung her zweifellos eine Betriebsänderung vor. Der Arbeitgeber lehnt aber Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan ab, weil jeweils selbständige Maßnahmen vorliegen würden.

 

Aus der Praxis

Im Einzelfall kann der Betriebsrat Glück haben. Ein großer Paketzustelldienst mit ausländischer Spitze verhielt sich so wie hier beschrieben. Der Betriebsratsvorsitzende fuhr zum Europäischen Betriebsrat. Dort bekam er von der Europadirektion zu hören, »die Deutschen« müssten ihr Personal im laufenden und im kommenden Jahr um insgesamt 15 % reduzieren. Damit war der Zusammenhang klargestellt, denn die Größenordnung für eine Betriebsänderung und einen erzwingbaren Sozialplan war gegeben.

 

So viel Glück hat man aber nur selten. Spricht einiges dafür, dass die einzelnen Abbaumaßnahmen auf einem Gesamtplan beruhen, kann man beim Arbeitsgericht beantragen, dass eine Einigungsstelle eingesetzt wird. Nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) prüft das Gericht nur, ob »offensichtlich« kein Verhandlungs- und Mitbestimmungsrecht bestehe. Ist die Lage unklar, wird dem Antrag erst mal stattgegeben, ein Einigungsstellenvorsitzender eingesetzt und die Zahl der Beisitzer bestimmt. Tritt dann die Einigungsstelle zusammen, so wird der Vorsitzende meist die Frage der Zuständigkeit eher in den Hintergrund treten lassen. Stattdessen wird er sich um einen Kompromiss in der Sache bemühen. Dies führt dann dazu, dass man vielleicht die Zahl der Entlassungen etwas reduzieren kann, jedenfalls aber einen Sozialplan bekommt. Man muss nur wissen, dass es den § 100 ArbGG gibt.

Wie sich der Betriebsrat Kurzarbeit zunutze machen kann, warum sich Tarifverträge lohnen und wie ein Tarifsozialplan Beschäftigte schneller wieder in Jobs bringt, erfahren Sie in dem Beitrag von Wolfgang Däubler »Sozialplan ohne Alternative«, »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 5/2021 ab Seite 10.

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