Amtspflichtverletzung

Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten

10. April 2019 Amtspflicht, Beamter
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Quelle: © Fontanis / Foto Dollar Club

Sportlehrer sind dazu verpflichtet, im Notfall Erste Hilfe zu leisten. Unterlassen sie das, sei dies eine Amtspflichtverletzung, für die das Land als Dienstherr haftet, so der BGH. Zur Amtspflicht von Sportlehrern gehöre es auch, in Erster Hilfe geschult zu sein.

Ein Schüler war im Sportunterricht nach dem Aufwärmen zusammengesackt und hatte nicht mehr auf Ansprachen reagiert. Der herbeigerufene Notarzt leitete eine Reanimation ein und stellte fest, dass seitens der Anwesenden keine Wiederbelebungsversuche unternommen worden waren. Sein Vermerk im Protokoll lautete: "Beim Eintreffen des Notarztes bereits achtminütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation". Seit Oktober 2013 ist der Kläger zu 100 Prozent als Schwerbehinderter anerkannt. Er erlitt einen hypoxischen Hirnschaden nach Kammerflimmern.

Der ehemalige Schüler verlangt Schadensersatz. Sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschadens wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch seine Sportlehrerin und einen weiteren herbeigerufenen Sportlehrer. Hätten diese im Rahmen der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung eine Atemkontrolle und - angesichts des dabei festgestellten Atemstillstands - anschließend eine Reanimation durch Herzdruckmassage und Atemspende durchgeführt, wäre es nicht zu dem Hirnschaden gekommen.

Vorinstanzen sehen keine Amtspflichtverletzung

Das LG Wiesbaden hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das OLG Frankfurt hatte offen gelassen, ob die Sportlehrer nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ihre Amtspflicht, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten, verletzt haben.

Der BGH bemängelt, dass ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden ist, das zur Klärung des tatsächlichen Verlaufs beitragen könnte und das Geschehen am Unfalltag rekonstruieren kann. Die Sache wurde an das OLG zurückverwiesen.

BGH stellt Grundsätze auf

Wichtig: Der BGH macht allerdings einige grundlegende Aussagen zu Amtspflichtverletzungen und zu den Fähigkeiten, die Sportlehrer haben müssen: Zwar könnten in solche Fällen nicht die Beweisgrundsätze angelegt werden, die bei groben ärztlichen Behandlungsfehlern gelten und eine Beweislastumkehr zur Folge haben. Denn anders als bei Ärzten und anderen Berufsgruppen wie häusliche Pfleger und Bademeister sei die Amtspflicht der Sportlehrer zur Ersten Hilfe bei Notfällen »wertungsmäßig nur eine die Hauptpflicht zur Unterrichtung und Erziehung begleitende Nebenpflicht«. Sportlehrer sollen in erster Linie unterrichten, das ist ihre Hauptpflicht.

Erste Hilfe-Kurse erforderlich

Grundsätzlich käme eine Haftung des beklagten Landes (§ 839 BGB, Art. 34 GG) nicht nur im Fall grober Fahrlässigkeit in Betracht. Das Haftungsprivileg für Nothelfer (§ 680 BGB) greift hier jedoch nicht – es ist nicht mit einer Situation vergleichbar, in der sich jemand für spontane Hilfe entscheidet, dabei jedoch Fehler begeht. Im Urteil heißt es: Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen. Um dies zu gewährleisten, mussten die Sportlehrer bereits damals über eine aktuelle Ausbildung in Erster Hilfe verfügen. Die Situation des § 680 BGB entspricht damit zwar der von Schülern, aber nicht der von Sportlehrern, zu deren öffentlich-rechtlichen Pflichten jedenfalls auch die Abwehr von Gesundheitsschäden der Schüler gehört. Zur Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BGH (04.04.2019)
Aktenzeichen III ZR 35/18
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