Arbeitsverhältnis

Wann ein Aufhebungsvertrag anfechtbar ist

18. Februar 2021
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Quelle: Coloures-pic_Dollarphotoclub

Droht ein Arbeitgeber mit der Kündigung für den Fall, dass der Arbeitnehmer keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, kann dieser angefochten werden, wenn die eigentliche Kündigung rechtwidrig wäre – so das LAG Hamm.

Arbeitgeber versuchen immer wieder, sich unter Umgehung des Betriebsrats von Mitarbeitern zu trennen. Das geschieht mit Aufhebungsverträgen. Doch die können anfechtbar sein.

Das war der Fall

Ein Teamleiter unterschreibt einen Aufhebungsvertrag. Danach soll das Arbeitsverhältnis Ende 2019 beendet werden. Folgendes war vorher passiert:

Ein Kollege des Teamleiters hatte Probleme mit einem anderen Vorgesetzten, dem er Mobbing vorwarf. Er bat den Teamleiter, einen Beschwerdebrief zu formulieren, da er selbst an einer Rechtschreibschwäche leide. Diesen Beschwerdebrief speicherte der Teamleiter auf dem firmeninternen Server unter einem Ordner „Privat“, der nicht nur ihm selbst, sondern mehreren Beschäftigten einsehbar war. Der Brief wurde entdeckt und der Teamleiter zu einem Personalgespräch geladen. Er sei aufgrund des Vorfalls als Führungskraft nicht mehr haltbar.

Daher gäbe es – so der Arbeitgeber - zwei Möglichkeiten:

  • entweder er erhalte eine verhaltensbedingte Kündigung
  • oder er sei bereit, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.

Der Teamleiter unterzeichnete daher einen Aufhebungsvertrag, den er kurz danach aber anfocht. Er ist nun der Meinung, er sei zu dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung durch eine widerrechtliche Drohung gezwungen worden. Er fechte den Aufhebungsvertrag daher an.

Das sagt das Gericht:

Der Aufhebungsvertrag wurde durch den Teamleiter wirksam angefochten. Das Arbeitsverhältnis besteht daher weiter.

Die Anfechtung einer Willenserklärung (hier der Zustimmung zum Aufhebungsvertrag) ist dann möglich, wenn der Erklärende zu ihrer Abgabe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist (§ 123 BGB). Dieser Fall liegt hier laut Gericht vor. Der Teamleiter ist durch eine widerrechtliche Drohung des Arbeitgebers zu dem Aufhebungsvertrag gezwungen worden.

Drohung mit unzulässiger Kündigung

Die Androhung einer Kündigung ist widerrechtlich, wenn die Kündigung selbst unzulässig wäre und einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten würde. Dies sieht das Gericht so.

Der Teamleiter hat sich keine Pflichtwidrigkeit zuschulden kommen lassen, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen würde. In dem er die Datei mit dem Beschwerdebrief in einen für andere zugänglichen Ordner gestellt hat, wollte er den Kollegen nicht bewusst diskreditieren oder die Beschwerde öffentlich machen.

Auch wenn man eine (fahrlässige) Pflichtverletzung hierin sieht, so müsste jedenfalls zunächst mal eine Abmahnung erfolgen, um dem Teamleiter die Gelegenheit zu geben, das pflichtwidrige Verhalten nicht mehr zu wiederholen. Eine sofortige Kündigung ist in jedem Fall unverhältnismäßig, die Drohung damit folglich widerrechtlich.

Die widerrechtliche Drohung war auch ursächlich für den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung. Im Ergebnis ist die Vereinbarung daher unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht fort.

Das muss der Betriebs- oder Personalrat wissen

Aufhebungsverträge sind problematisch, da sie ohne Betriebs- oder Personalrat abgeschlossen werden können. Dennoch sollte man immer schauen, ob sie eventuell anfechtbar sind. Dann besteht das Arbeitsverhältnis nämlich fort. Allerdings kommt die Anfechtung nur ausnahmsweise in Betracht. Ein Fall ist der, dass der Arbeitnehmer durch eine Drohung mit einer unzulässigen Kündigung zu dem Abschluss des Aufhebungsvertrags gedrängt wurde.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Hamm (23.11.2020)
Aktenzeichen 1 Sa 1878/19
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