Gesundheitsschutz

Warum der Chef eine ärztliche Untersuchung anordnen darf

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Quelle: pixabay

Bei häufiger Krankheit kann der Arbeitgeber eine ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers anordnen. Diese muss der Beschäftigte auch wahrnehmen, wenn er am Tag der Untersuchung noch krank ist. Sonst kassiert er eine Abmahnung – so nun das LAG Nürnberg.

Laut dem Tarifvertrag der Länder (TvL) kann ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer verpflichten, durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist (§ 3 Abs. 5 TvL).

Das war der Fall

Ein im öffentlichen Dienst angestellter Schreiner ist immer wieder wegen Krankheit arbeitsunfähig. Im Jahr 2018 insgesamt an 75 Tagen. Er lässt sich durch ein ärztliches Attest bestätigen, dass er keine Gegenstände mit mehr als 10 kg Gewicht tragen kann.  Der Arbeitgeber bezweifelt daher seine Eignung für die Tätigkeit eines Schreiners. Er ordnet eine ärztliche Untersuchung an. Diese ist laut Tarifvertrag der Länder (TV-L) auch so vorgesehen.

Der Schreiner lässt diese mehrfach verfallen. Der Arbeitgeber mahnt ihn daher ab. Der Schreiner hält die Abmahnung für ungerechtfertigt und klagt auf Entfernung der Abmahnung aus der Akte.

Das sagt das Gericht

Das LAG gibt dem Arbeitgeber Recht und weist die Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ab.

Zwar ist es richtig, dass der Arbeitgeber einen erkrankten Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall einberufen darf. Für ein Personalgespräch beispielsweise darf er es nicht (zuletzt 2.11.2016 – 10 AZR 596/15). Für eine amtsärztliche Untersuchung sieht dies Sachlage allerdings anders aus. Die kann der Beschäftigte auch wahrnehmen, wenn er krank ist. Die nach den tariflichen Bestimmungen zulässige Untersuchung dient dem Zweck, zu prüfen, ob der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit überhaupt noch erbringen kann. Mit der Untersuchung kann daher nach Meinung der Richter nicht bis zur Genesung gewartet werden.

Besondere Umstände, warum der Beschäftigte hier nicht an dem Untersuchungstermin teilnehmen konnte – etwa wegen einer ansteckenden Krankheit, sind nicht dargelegt worden. Der Beschäftigte war auch transportfähig. Dass durch die Wahrnehmung des Arzttermins psychische Belastungen oder gar schwer Schäden ausgelöst werden könnten, sieht das Gericht nicht.

Daher hat der Arbeitnehmer seine Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt, in dem er nicht zur amtsärztlichen Untersuchung erschienen ist. Die Abmahnung ist daher rechtmäßig. Der Arbeitgeber muss sie nicht aus der Personalakte entfernen.

Das muss der Betriebs- und Personalrat beachten

In bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber medizinische Eignungsuntersuchungen beim Betriebs- oder (im öffentlichen Dienst) beim Amtsarzt anordnen. Nicht zu verwechseln sind diese Eignungsuntersuchungen mit den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach § 3 Abs. 1 ArbMedVV, die vorrangig Arbeitnehmerzwecken (z.B. der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen) dienen. Eignungsuntersuchungen hingegen liegen in erster Linie im Interesse des Arbeitgebers. Sie bedürfen daher einer ausreichenden rechtlichen Grundlage. Im öffentlichen Dienst sind diese Fälle relativ klar geregelt. Im TvöD und in den TvL heißt es überall:

»Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, die/den Beschäftige/n zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie/er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.«

Demgegenüber fehlt es im privaten Arbeitsrecht an einer expliziten Anspruchsgrundlage für die Durchführung von Eignungsuntersuchungen. Zwar sind in zahlreichen Spezialvorschriften verpflichtende Eignungsuntersuchungen vorgeschrieben (gefahrgeneigten Tätigkeiten). Ansonsten kann sich der Arbeitgeber nur auf allgemeine zivilrechtliche Ansprüche oder seine Fürsorgepflicht nach § 618 BGB stützen. Hier dürfte es also für den Beschäftigten leichter sein, der Anordnung zu entgehen.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Nürnberg (19.05.2020)
Aktenzeichen 7 Sa 304/19

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