Arbeitszeit

»Die Zukunft ist offen«

22. August 2018 Arbeitszeit
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Quelle: © Stauke / Foto Dollar Club

Der Achtstundentag begrenzt grundsätzlich die Arbeitszeit. Und das seit 100 Jahren. Rudolf Buschmann sagt der Fachzeitschrift »Der Personalrat« Ausgabe 7/18, warum das weiterhin wichtig ist und wie sich der Achtstundentag über alle Flexibilisierungstrends hinweg halten lässt.

Herr Buschmann, den Achtstundentag gibt es nun seit 100 Jahren. Ein Grund zum Feiern? 

Für die meisten Beschäftigten gab es vor 1918 weder staatliche Arbeitszeitbeschränkungen noch garantierte Pausen und Ruhezeiten. Überlange Arbeitszeiten waren die Regel. Den Durchbruch brachte die Novemberrevolution 1918. Der Rat der Volksbeauftragten kündigte den achtstündigen Maximalarbeitstag an und verwirklichte ihn in drei Demobilisierungsverordnungen. Verbindlich wurde der Achtstundentag in einer Sechstagewoche, also maximal 48 Stunden in der Woche. 1919 verabschiedete die Internationale Arbeitskonferenz das IAO-Übereinkommen Nr. 1 mit der Begrenzung der Arbeitszeit in der Industrie auf acht Stunden am Tag und 48 Stunden in der Woche. Deutschland hat dieses Übereinkommen zwar nicht ratifiziert, jedoch weitgehend umgesetzt. Seitdem begrenzt das öffentliche Arbeitszeit(schutz)recht ausdrücklich die Tagesarbeitszeit. Ein Grund zum Feiern? Unbedingt! Denn Arbeitszeitbegrenzung ist Kern des Arbeitsschutzes.

Was waren, was sind die Beweggründe, die tägliche Arbeitszeit zu begrenzen? 

Die verbindliche Festlegung einer täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit war und ist eine der wichtigsten Forderungen der Arbeiterbewegung weltweit. Deshalb setzte das 1. IAO-Übereinkommen genau an dieser Stelle an. Für die nach jahrelanger Unterdrückung an die Regierung gekommenen Arbeiterparteien (damals SPD, USPD) war das die Gelegenheit, diese alte Forderung endlich einzulösen. Für Deutschland kam hinzu, dass Millionen von Soldaten »demobilisiert« werden mussten, das heißt zivile Arbeitsplätze suchten. Deutliche Arbeitszeitverkürzung war und ist die Antwort auf drohende Massenarbeitslosigkeit.

Wird es den Achtstundentag auch weiterhin geben? 

Nach dem Arbeitszeitgesetz ist der Achtstundentag die Regel, indes durchlöchert von vielen Ausnahmen wie ein Schweizer Käse. Arbeitgeberverbände und konservative Parteien fordern darüber hinaus vehement, das grundsätzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren, d.h. konkret die Aufhebung des Achtstundentages und Eingriffe in die tägliche elfstündige Ruhezeit. Mit den Gewerkschaften ist das nicht zu machen. Alle soziologischen Untersuchungen zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Beschäftigten solch sozialpolitische Rückschritte ablehnt. Trotzdem enthält der Koalitionsvertrag 2018 eine unsägliche »Öffnungsklausel«, um die »Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibler« zu regeln. Art. 31 der europäischen Grundrechtecharta verdanken wir das Grundrecht auf »Begrenzung der Höchstarbeitszeit« sowie auf »tägliche und wöchentliche Ruhezeiten.« Die Arbeitszeitrichtlinie begrenzt die Tagesarbeitszeit mittelbar über die zwingende elfstündige tägliche Ruhezeit sowie Pausen. Der Acht- bzw. Zehnstundentag muss aber in Deutschland politisch verteidigt werden. Er lässt sich halten, wenn die Freunde der Flexibilisierung einsehen, dass sie sich – politischer Widerstand vorausgesetzt – bei dem Versuch, die Zeit 100 Jahre zurückzudrehen, »blutige Nasen« holen. Die Zukunft ist offen. 

Rudolf Buschmann, Lehrbeauftragter Universität Kassel, Gew. Centrum für Revision und Europäisches Recht, Kassel.

Mehr zum Thema Arbeitszeit finden Sie in der Fachzeitschrift »Der Personalrat« 07/2018, Seite 18.  

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