Corona

Neues zur Impfpflicht

30. November 2021
Impfung
Quelle: pixabay

Eine der gegenwärtig meistdiskutierten Fragen betrifft die Impfpflicht gegen Corona. Der »Ethikrat« hatte im Januar 2021 eine solche Verpflichtung abgelehnt. Aufgrund explodierender Infektionszahlen sehen das mittlerweile viele, auch die meisten Parteien, anders.

Ein Gesetz, das die Impfplicht anordnet, muss mit dem »Grundsatz der Verhältnismäßigkeit« vereinbar sein. Doch wer könnte eine Impfpflicht anordnen und wäre das überhaupt mit unserem Grundgesetz vereinbar?

Wer hat die Gesetzgebungskompetenz für eine Impfpflicht?

Für alle Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz (GG)) besitzt der Bund die sog. »konkurrierende Gesetzgebungskompetenz«. Das bedeutet: Die Länder haben die Gesetzgebungsbefugnis, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Gegen »gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten« hat der Bund insofern von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, als er das »Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG)« erlassen hat. Doch das IfSG enthält keine eigene Ermächtigung für eine generelle Impfpflicht. Allerdings wäre das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) befugt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist (§ 20 Abs. 6 IfSG). Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium trotz der weltweit bestehenden Pandemie bisher keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind gegenwärtig die Landesregierungen gemäß § 20 Abs. 7 IfSG zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung nach Absatz 6 ermächtigt. Das bedeutet: Solange keine bundeseinheitliche Regelung besteht, könnten die einzelnen Länder eine Impfpflicht anordnen.

Ist eine allgemeine Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar?

Eine Impfpflicht greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein (Art. 2 Abs. 1 GG); schwerer wiegt in diesem Fall der Eingriff in den Schutz der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Dieses Grundrecht schützt die physische Gesundheit eines Menschen, die gerade auch die körperliche Integrität umfasst. Ein Eingriff in diese verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition des Bürgers liegt immer dann vor, wenn eine unmittelbare, zielgerichtete Beeinträchtigung des Schutzbereichs erfolgt. Eine Impfung stellt ohne jeden Zweifel einen Eingriff in den Schutz der körperlichen Unversehrtheit dar. Aber: Kann eine Impfpflicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein?

Das Grundrecht enthält einen Gesetzesvorbehalt (Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG). Das heißt, dass in die darin enthaltenen Grundrechte nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf. Doch das IfSG weist keine eigene Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus. Und weder Bund noch Länder haben bislang von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 20 Abs. 6 und Abs. 7 IfSG Gebrauch gemacht. Damit besteht bislang noch keine Rechtsgrundlage, die zu einer Corona-Impfpflicht ermächtigt. Für eine künftige Rechtsgrundlage wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. (…)

Meinungen zur Impfpflicht: Immer mehr Politiker und Gesundheitsexperten befürworten eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat sich dafür ausgesprochen, da »nur so die Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft vor weiteren desaströsen Folgen bewahrt werden können.« Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ist für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht – wie auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: »Die einzige Chance, um aus dieser Endlosschleife herauszukommen, ist eine Impfpflicht.« Für eine allgemeine Impfpflicht spricht sich auch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) aus. Deren Präsident, Gernot Marx, erklärt: »Es gilt unsere Patienten zu schützen, Menschenleben zu retten und auch unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren.« Eine Impfpflicht für alle Erwachsenen sei alternativlos, um die Pandemie auch langfristig hinter sich zu lassen. Die Hoffnung auf eine höhere Impfbereitschaft in der Bevölkerung habe sich nicht erfüllt. Die Mitarbeiter in den Kliniken und besonders auf den Intensivstationen und in der Notfallmedizin bräuchten aber eine Perspektive. Eine Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen, etwa für das Pflegepersonal, lehnt die DIVI ab. Dies sei weder ausreichend noch moralisch zu rechtfertigen. Auch der künftige Bundesjustiz­minister Marco Buschmann ist mittlerweile offen für eine allgemeine Impfpflicht und schlägt vor, die Abstimmung über deren Einführung zur Gewissensfrage zu erklären und darüber den Bundestag über Fraktionsgrenzen hinweg frei entscheiden zu lassen.

Den vollständigen Beitrag von Dr. Maximilian Baßlsperger, Dozent an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern a.D., lesen Sie in »Der Personalrat 1/2022«. Die Ausgabe erscheint am 14.1.2022 und ist für Abonnent:innen bereits vorher online als ePaper verfügbar.

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