Arbeitsschutz

Schmerzensgeld vom Arbeitgeber nur bei Vorsatz

17. Dezember 2018
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Quelle: © RioPatuca Images / Foto Dollar Club

Erleidet ein Beschäftigter einen Arbeitsunfall, weil der Arbeitgeber Schutzvorschriften missachtet, tritt die Unfallversicherung ein. Anspruch auf Schmerzensgeld besteht daneben nur, wenn der Arbeitgeber mit Vorsatz gehandelt hat - so nun das LAG Rheinland-Pfalz.

Es geht um die Folgen eines Arbeitsunfalles und dessen finanziellen Ausgleich.

Hintergrund

Der Arbeitgeber haftet nur, wenn er den Haftungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Ansonsten kommt die gesetzliche Unfallversicherung für die Schäden auf, der Arbeitgeber ist haftungsbefreit (§ 104 SGB VII). Nachteilig für den Arbeitnehmer ist dabei, dass sich der Ausschluss der Arbeitgeberhaftung auf das Schmerzensgeld erstreckt. Die gesetzliche Unfallversicherung deckt nur die materiellen Schäden ab (Behandlungskosten, Arbeitsunfähigkeit, Heilmittel). Für Schmerzensgeld ist daher Vorsatz des Arbeitgebers erforderlich.

Das war der Fall

Der Verkäuferin eines Einzelhandelsmarktes fiel beim Aufräumen nach einem langen Arbeitstag eine über 30 kg schwere Europalette auf den Fuß. Zwei Zehen wurden gebrochen. In der Folge war sie zunächst 6 Wochen arbeitsunfähig krank, nahm dann aber ihre Arbeit wieder auf, um nach mehreren Zusammenbrüchen wieder für mehr als ein Jahr auszufallen. Inzwischen hat die Berufsgenossenschaft ein Karpaltunnel-Syndrom beidseits als Berufskrankheit (Nr. 2113 der Berufskrankheitenliste) anerkannt.

Die Verkäuferin verlangt von ihrem Arbeitgeber Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 23.000 €. Der Arbeitgeber habe grob fahrlässig gehandelt, da er Arbeitsschutzvorschriften verletzt habe. Denn ihr sei die Palette nach 10-stündigem Durcharbeiten bei Regen – ohne Wetter- und Arbeitsschutzkleidung – aus den Händen geglitten. Damit lägen Verstöße des Arbeitszeit-, Arbeitssicherheits- und Arbeitsschutzgesetzes und der Lastenhandhabungsverordnung vor.

Das sagt das Gericht

Der Arbeitgeber wäre nur verpflichtet, Schadenersatz oder Schmerzensgeld zu zahlen, wenn ihm in irgendeiner Form ein vorsätzliches Handels nachweisbar wäre. Allein die vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften - oder hier der Lastenhandhabungsverordnung - genügt nicht, um ein vorsätzliches Handeln anzunehmen. Denn allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten indiziere – so die Richter des LAG - keinen Vorsatz. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Folge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen.

Ließe man es für Vorsatz ohne weiteres ausreichen, dass der Arbeitgeber wissentlich und willentlich in Kenntnis der maßgebenden Umstände durch die Missachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (zB. keine Bereitstellung von Fußschutz bei Arbeiten mit Paletten oder Getränkekästen) eine Gefahrerhöhung vorgenommen hat, so wären kaum noch Fälle denkbar, in denen lediglich grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers in Betracht kommt.

Lesetipp:

»Die Haftung des Arbeitgebers« von Brent Schwab in AiB 7-8/2012, S. 446-450.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Rheinland-Pfalz (02.08.2018)
Aktenzeichen 5 Sa 298/17
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