Beschäftigtendatenschutz

Betriebsrat kann Auskunft über Sonderzahlungen verlangen

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Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber Auskunft über Sonderzahlungen verlangen, die er an Beschäftigte leistet, die keine leitenden Angestellten sind. Das Unterrichtungsrecht des Betriebsrats ist mit dem Datenschutz vereinbar. Von Margit Körlings.

Darum geht es

Der Betriebsrat will vom Arbeitgeber Auskunft darüber, welchen Arbeitnehmern in welcher Höhe auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Sonderzahlungen ab 1.9.2016 gezahlt wurden. Sein Begehren stützt er auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

In einem Parallelverfahren, welches zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen ist, ging es um die Einsicht in die Bruttogehaltslisten. Diese Einsicht war dem Betriebsrat gewährt worden. Der Arbeitgeber ist der Auffassung, dass er damit sämtliche Auskunftsansprüche des Betriebsrats erfüllt hat. Außerdem führte er datenschutzrechtliche Bedenken an.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Wiesbaden entschied, dass dem Betriebsrat die verlangten Auskünfte zustehen. Der allgemeine Auskunftsanspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 BetrVG bestehe unabhängig vom Einsichtsrecht in die Bruttolohnlisten.

Das sagt das Gericht

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) bestätigte die Entscheidung aus Wiesbaden. Die Auskunftsansprüche des Betriebsrats stehen nicht in Konkurrenz. Der allgemeine Unterrichtungsanspruch des § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und der Anspruch auf Einsicht in die Bruttoentgeltlisten stehen nebeneinander und verdrängen sich nicht gegenseitig.

Auskunfts- und Einsichtsrecht bestehen nebeneinander

In die Liste der Bruttolöhne und -gehälter wird nur Einsicht gewährt. Sie werden nicht herausgegeben. Dieses Einsichtsrecht steht auch nicht dem Betriebsrat, sondern nur dem Betriebsausschuss und in kleineren Betrieben dem Betriebsratsvorsitzenden und nicht dem gesamten Gremium zu.

Den Auskunftsanspruch muss der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat schriftlich erfüllen, da es sich regelmäßig um umfangreiche und komplexe Angaben nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG handelt. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut von § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, nach welchem der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten hat. Nach Satz 2,  Halbsatz 1 der Vorschrift muss der Arbeitgeber auf Verlangen die dafür erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen.

Im Zusammenspiel mit § 80 Abs.1 Nr. 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden, ist dies nur logisch. Dieser Aufgabenbezug ergibt sich auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nämlich der betrieblichen Lohngestaltung und der Entlohnungsgrundsätze. Auch wegen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus § 75 Abs. 1 BetrVG, nämlich der Herstellung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit, muss er Kenntnis über alle gezahlten Entgeltbestandteile, deren Zusammensetzung und deren Zahlung an welche Arbeitnehmer Kenntnis haben.

Betriebsrat hat Anspruch auf die Daten

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) betrifft die Erhebung und Nutzung der Daten der Arbeitnehmer, zunächst durch den Arbeitgeber. Die Datenverarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten ist nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG n. F. zulässig, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Die Erhebung der Daten für die zu zahlende Vergütung einschließlich sämtlicher Bestandteile durch den Arbeitgeber sind unerlässlich. Benötigt der Betriebsrat diese Daten dann, um seinen Pflichten aus dem BetrVG nach zu kommen, muss der Arbeitgeber diese Daten zur Verfügung stellen. Dies ergibt sich aus § 26 Abs. 6 BDSG. Ansonsten könnte der Betriebsrat den Aufgaben aus §§ 80, 87 BetrVG nicht gerecht werden. Selbst der einzelne Arbeitnehmer hat kein Vetorecht gegen die Herausgabe dieser Daten. Es geht um die Lohngerechtigkeit im Verhältnis der Arbeitnehmer zueinander.

Betriebsrat ist selbst Teil der »verantwortlichen Stelle«

Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen auch deshalb nicht, weil der Betriebsrat selbst Teil der verantwortlichen Stellen im Sinn von Art. 4 Nr. 7 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist. Er ist in die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbar eingebunden. Die Weitergabe an den Betriebsrat ist auch keine Weitergabe des Arbeitgebers an Dritte. Regelmäßig wird der Arbeitnehmer zudem gegenüber dem Arbeitgeber eine Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit a DSVGO zur Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten erteilt haben.

Entscheidung durch das BAG steht noch aus

Da es sich um eine Entscheidung zum neuen Datenschutzrecht ab 25.5.2018 handelt, wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, diese wird unter dem Aktenzeichen 1 ABR 5/19 geführt. Die Entscheidung steht noch aus.

Fazit für die Praxis

Fest steht, Datenschutz ist unerlässlich. Ansonsten würde der Erhebung von Daten und dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Der Betriebsrat muss gleichwohl in der Lage sein, die ihm zustehenden Daten und Auskünfte zu erhalten, um seinen gesetzlichen Pflichten aus dem BetrVG nachkommen zu können.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

Hessisches Landesarbeitsgericht (10.12.2018)
Aktenzeichen 16 TaBV 130/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 17.7.2019.

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