Urlaub

EuGH zur Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen

14. Januar 2022 Urlaub, Mehrarbeit, Zuschlag
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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Wer bezahlten Urlaub nimmt, darf keine Nachteile bei Mehrarbeitszuschlägen erleiden. Denn das könnte Beschäftigte davon abhalten, überhaupt Urlaub zu nehmen. So der EuGH in einem wichtigen Fall, den nun das BAG entscheiden muss.

Der EuGH hat die Rechte von Leiharbeitnehmern erfreulich gestärkt:

Das war der Fall

Ein Arbeitnehmer leistete im August 2017 an 13 Arbeitstagen 121,75 Arbeitsstunden und nahm für die verbleibenden zehn Tage bezahlten Jahresurlaub. Nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag (MTV) für Zeitarbeit wird in Deutschland für Zeiten, die in Monaten mit 23 Arbeitstagen über 184 geleistete Stunden hinausgehen ein Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent gezahlt.

Diese Schwelle wäre unter Berücksichtigung des Jahresurlaubs überschritten gewesen. Der Arbeitnehmer war daher der Ansicht, dass die für den Jahresurlaub abgerechneten Tage bei der Bestimmung der geleisteten Arbeitsstunden zu berücksichtigen seien und beantragte die Zahlung des Zuschlags, was die Arbeitgeberin ablehnte.

BAG legt dem EuGH Fragen vor

Das in dritter Instanz zuständige Bundesarbeitsgericht (BAG) ist der Auffassung, dass bei der Feststellung, ob die Schwelle der normalen monatlichen Arbeitszeit vom Arbeitnehmer überschritten worden sei, nur die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden zu berücksichtigen seien, weswegen Urlaubszeiten nicht erfasst würden. Der Zuschlag sei ein Anspruch, der lediglich durch Arbeit erworben werden könne und nicht durch Urlaubszeiten.

Problematisch war aus Sicht des BAG jedoch, dass die Bestimmungen des MTV einen Anreiz für Arbeitnehmer begründen könnten, den bezahlten Mindestjahresurlaub nicht in Anspruch zu nehmen, um stattdessen den Zuschlag von 25 Prozent zu erhalten.

Das BAG stellte dem EuGH daher die Frage, ob Art. 31 Abs. 2 der Charta und Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegenstehen, nach der für die Berechnung, ob die Schwelle der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigten Arbeitszeit erreicht ist, die Stunden, die dem vom AN in Anspruch genommenen Jahresurlaub entsprechen, nicht als geleistete Arbeitsstunden berücksichtigt werden.

Das sagt das Gericht

Der EuGH gibt dem Arbeitnehmer Recht, auch wenn noch das BAG final entscheiden muss. Das Recht jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub sei ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union, von dem nicht abgewichen werden dürfe.

Somit sei die Schaffung eines Anreizes, auf den Erholungsurlaub zu verzichten oder Beschäftigte dazu anzuhalten, darauf zu verzichten mit den Zielen unvereinbar, die mit dem Anspruch des Jahresurlaubs verfolgt werden (Erholung, Entspannung und Freizeit zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Beschäftigten).

Aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe sich, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Ausübung seines Urlaubsanspruchs im Monat August 2017 ein niedrigeres Entgelt erhalten hatte, als es der Fall gewesen wäre, wenn er in diesem Monat keinen Urlaub genommen hätte. Somit könnten die Regelungen des MTV Beschäftigte davon abhalten, in dem Monat, in dem Überstunden erbracht wurden, von ihrem Recht auf bezahlten Jahresurlaub Gebrauch zu machen.

Die genannten Regelungen des MTV können daher dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entgegenstehen. Es sei nun Sache des BAG, dies im vorliegenden Fall konkret zu prüfen.

Das muss der Betriebs- und Personalrat wissen

Der EuGH hat die Rechte von Leiharbeitnehmerinnen bei der Berechnung von Zuschlägen für Mehrarbeit gestärkt. Regelungen in Tarifverträgen, nach denen genommener bezahlter Jahresurlaub bei der Kalkulation von Mehrarbeitszuschlägen nicht berücksichtigt wird, verstoßen gegen EU-Recht.

Nun muss man abwarten, wie das BAG den Fall letztlich entscheidet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das BAG Tarifklauseln wie die hier beschriebenen, die beim Mehrarbeitszuschlag einen Anreiz schaffen, auf Urlaubstage zu verzichten, für unzulässig erklären wird.

© bund-verlag.de (jv)

Quelle

EuGH (13.01.2022)
Aktenzeichen C-514/20
EuGH, Pressemitteilung vom 13.01.2022
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