Kündigung

Kein Annahmeverzugslohn bei fehlender Leistungsbereitschaft

27. Mai 2022
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Eine unwirksame Kündigung des Arbeitgebers führt auch ohne tatsächliches Leistungsangebot des Arbeitnehmers zum Annahmeverzug. Der Annahmeverzug endet erst dann, wenn der Arbeitgeber die Leistung im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses annimmt. Übt der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam aus, beendet das den Annahmeverzug des Arbeitgebers.

Die Beklagte betreibt eine Cateringfirma. Die Klägerin war dort seit 2016 als Marketingmanagerin angestellt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31. August 2017 und zahlte seitdem keinen Lohn mehr an die Klägerin. Zum Kündigungszeitpunkt hatte die Beklagte eine Stelle als Servicekraft ausgeschrieben. Nach Auffassung der Klägerin hätte sie deshalb lediglich eine Änderungskündigung aussprechen dürfen. Daraufhin bot ihr die Beklagte die Stelle als Servicekraft als Beschäftigung für die Dauer des Prozesses an, was diese ablehnte. Im Kündigungsschutzverfahren stellte das Gericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Die Beklagte bot der Klägerin deshalb an während des weiteren Verfahrens bei ihr als Zimmermädchen zu arbeiten. Auch das lehnte die Klägerin ab und erklärte mit Schreiben vom 11. Dezember 2018, ihre Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis die Beklagte die noch ausstehende Vergütung bezahlt hätte. Mit ihrer Klage macht die Arbeitnehmerin den ausstehenden Lohn geltend.

Das sagt das Gericht

Das Bundesarbeitsgericht hat der Klägerin nur zum Teil Recht gegeben.

Annahmeverzug bedeutet zunächst, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer arbeiten will und kann, der Arbeitgeber die Arbeitsleistung aber nicht annehmen will oder kann. Dies regelt § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ein Annahmeverzug ist also z. B. gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung nicht mehr beschäftigt und sich nach Abschluss des Kündigungsschutzprozesses herausstellt, dass die Kündigung unwirksam ist. De facto hat das Arbeitsverhältnis dann die gesamte Zeit weiter bestanden. Die Folge ist, dass der Arbeitgeber das Gehalt nachzahlen muss (= Annahmeverzugslohn).

Annahmeverzugslohn könne die Klägerin vorliegend aber nur bis zum 10. Dezember 2018 verlangen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich die Beklagte aufgrund der unwirksamen Kündigung im Annahmeverzug befunden. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht nochmal ausdrücklich anbieten müssen. Das Angebot einer Beschäftigung als Servicekraft während des Prozesses beende den Annahmeverzug nicht, weil die Arbeitgeberin die Arbeitsleistung dann nicht zur Erfüllung des noch bestehenden ursprünglichen Arbeitsvertrags annehme.

Fehlende Leistungsbereitschaft wegen Zurückbehaltung der Arbeitskraft

Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin ihre Arbeitsleistung zurückbehalten habe (also ab ihrem Schreiben vom 11. Dezember 2018), stünde ihr hingegen kein Anspruch mehr auf Annahmeverzugslohn zu. Sie sei dann nämlich nicht mehr leistungsbereit gewesen. Der Leistungswille sei entfallen, weil die Klägerin ihr Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung nicht wirksam ausgeübt habe. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber unter Angabe des Grundes klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Die Arbeitnehmerin hätte zur wirksamen Ausübung des Zurückbehaltungsrechts also den Betrag, der ihr nach ihrer Auffassung zusteht, gegenüber dem Arbeitgeber konkret beziffern müssen. Das habe die Klägerin hier nicht getan.

Widersprüchliches Verhalten

Die Klägerin muss sich außerdem auf den Annahmeverzugslohn den Lohn anrechnen lassen, den sie als Servicekraft hätte verdienen können. Die Klägerin habe sich zunächst darauf berufen, die Beklagte hätte ihr nicht kündigen dürfen, sondern die freie Stelle als Servicekraft anbieten müssen. Eben dieses Angebot hat die Klägerin später ausgeschlagen. Dieses Verhalten sei widersprüchlich. Die Klägerin habe so böswillig einen möglichen Verdienst nicht wahrgenommen.

Praxishinweis

Der Arbeitgeber kann den Annahmeverzug nur beenden, wenn er den Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen beschäftigt. Voraussetzung für den Annahmeverzug ist aber stets, dass der Arbeitnehmer auch leistungswillig ist.

Clara Seckert, Juristin mit Schwerpunkt Arbeitsrecht, Mainz.

Quelle

BAG (19.01.2022)
Aktenzeichen 5 AZR 346/21

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