Urlaub

Der Chef bleibt daheim

05. August 2015

Ob am Strand oder abends im Hotelzimmer – 72 Prozent der deutschen Berufstätigen beantwortet auch im Sommerurlaub dienstliche Anrufe, Mails oder Kurznachrichten. Doch das müssen sie nicht.

Klare Antwort: Nein! Der Arbeitnehmer kann sein Diensthandy ruhigen Gewissens ausschalten. Bei Anrufen aus der Firma auf dem privaten Anschluss darf man im Urlaub warten, bis die Mailbox drangeht. Einen Anspruch darauf, dass der Arbeitnehmer erreichbar ist, hat der Arbeitgeber nicht – und dementsprechend drohen auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen.

Einzige Ausnahme: Rufbereitschaft (die aber außerhalb des Urlaubs liegt). Hier müssten im Arbeits-, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung allerdings Sonderregelungen zu einer Rufbereitschaft getroffen sein.

Und dennoch: Sieben von zehn Berufstätigen reagieren laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom auf entsprechende Nachfragen. Zwei Drittel nehmen Anrufe entgegen, knapp die Hälfte liest ihre E-Mails – und nur 28 Prozent schalten komplett ab.

Dabei soll der Urlaub des Arbeitnehmers der Erholung dienen. Arbeiten ist in dieser Zeit tabu – so verlangt es das Bundesurlaubsgesetz.

Ständig erreichbar sein widerspricht dem Urlaubszweck

Das hat auch das Bundesarbeitsgericht immer wieder betont: » Nach § 1 BUrlG schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs hat er den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen. Dem Arbeitnehmer ist uneingeschränkt zu ermöglichen, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen. Das ist dann nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz der Freistellung ständig damit rechnen muss, zur Arbeit abgerufen zu werden. Eine derartige Arbeitsbereitschaft lässt sich mit der Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaubs nicht vereinbaren.« (BAG, Urteil vom 20.06.2000, Aktenzeichen: 9 AZR 405/99).

Beschäftigte missachten Arbeitszeitgesetz

Und noch ein weiteres Problem ergibt sich aus der ständigen Erreichbarkeit: viele Berufstätige, vor allem Mitarbeiter mit Führungsaufgaben, arbeiten inzwischen nach Feierabend weiter – schnell unterwegs die Mails zu checken oder noch ein paar Anrufe zu tätigen ist ja inzwischen kein Problem mehr, zumindest technisch.

Arbeitsrechtlich jedoch ist es ein Problem. Mitarbeiter verstoßen damit im Zweifel gegen das Arbeitszeitgesetz, indem sie länger arbeiten als gesetzlich erlaubt. Aber auch die Arbeit auf dem Heimweg im Zug und am Schreibtisch im heimischen Büro ist Arbeitszeit, für die gesetzliche Vorgaben gelten.

Dazu gehört beispielsweise die Einhaltung der durch § 3 ArbZG vorgegebenen maximalen täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden, die Beachtung der Ruhepausen nach § 4 ArbZG oder der Ruhezeiten nach § 5 ArbZG.

Grenzen der Erreichbarkeit festlegen

Gleiches gilt für das Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen nach § 9 ArbZG. Und: Arbeiten Beschäftigte mehr als zehn Stunden oder halten die vorgeschriebene Pausen nicht ein, muss der Arbeitgeber den gesetzeswidrigen Zustand im Rahmen seines Direktionsrechts durch Verbote beenden. (vgl. Prof. Peter Wedde, »Chance und Risiko«, Arbeitsrecht im Betrieb 6/2015, S. 10–14 ).

Der ständigen Erreichbarkeit müssten Arbeitgeber also sogar aktiv entgegentreten, anstatt sie zu dulden oder gar zu fordern. Die Betriebsräte können ihre Mitbestimmungsrechte in Fragen von Arbeitszeit, Urlaub und bei der Nutzung von mobilen Endgeräten auch dazu verwenden, den Zwang zur ständigen Erreichbarkeit einzudämmen.

Manche Firmen steuern gegen

Dass ständige Erreichbarkeit zu Dauerstress führen und enorme psychische Belastungen nach sich ziehen kann, die im Zweifel zu einer erhöhten Zahl von Krankheitstagen führt, hat sich inzwischen nicht nur unter Arbeitsmedizinern herumgesprochen, sondern ist auch in den Führungsetagen großer Unternehmen angekommen - häufig auf Druck der zuständigen Betriebsräte.

Volkswagen hat bereits 2011 eine Regelung getroffen, um solchen Zusatzstress zu unterbinden: Zwischen 18.15 Uhr und 7 Uhr des Folgetages sind die Server für die Diensthandys nicht aktiv - den Beschäftigten werden damit Mails nach Feierabend erspart. Ein ähnliches Modell gibt es auch bei BMW.

Fazit

Auch wenn aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers und mit Blick auf Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen Kontrollfunktionen vorhanden sind, müssen sich Beschäftigte in erster Linie selbst kontrollieren. Denn nur diese Eigenkontrolle kann dafür sorgen, dass Freizeit auch als solche erkannt wird – und der Computer oder das Handy nach Feierabend nur noch für das Privatvergnügen im Einsatz sind.

Lesetipps:
  • »Immer Anschluss unter dieser Nummer« von Krikor R. Seebacher in »Arbeitsrecht im Betrieb« 11/2014, S. 19-21.
  • »Abschalten gegen Dauerstress« von Gudrun Giese in »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2014, S. 64-66.
  • Bitkom-Umfrage: »Mehrheit der Berufstätigen ist im Urlaub erreichbar« (Bitkom, Pressemitteilung vom 22.07.2015)


© bund-verlag.de (mst)

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