Kündigung

Wann bei Beleidigung der Rauswurf droht

26. November 2015

Vor einigen Tagen sorgte eine Meldung für Aufsehen: Die »Welt« trennte sich von Autor Matthias Matussek. Der Grund: offenbar eine Beleidigung. Es folgte zuerst der Rauswurf aus der Konferenz und dann aus dem Unternehmen. Doch wie ordnen deutsche Gerichte solche Fehlgriffe von Beschäftigten ein? Hier eine Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung.

Im Falle Matussek soll es Medienberichten zufolge nach einem umstrittenen Posting bei Facebook zu den Terroranschlägen in Paris in einer Redaktionskonferenz der Zeitung zum Eklat gekommen sein. Matussek soll seine Vorgesetzten, "Welt"-Chefredakteur Jan-Eric Peters, und dessen Stellvertreter, Ulf Poschardt, als Arschlöcher bezeichnet haben. Es folgten zuerst der Rauswurf aus der Konferenz und dann aus dem Unternehmen. Doch wie sind solche Fehlgriffe von Beschäftigten einzuordnen?

Kritische oder gar beleidigende Äußerungen von Arbeitnehmern gegenüber ihren Vorgesetzten, zu Unternehmensstrategien oder Geschäftspraktiken landen immer wieder vor den Arbeitsgerichten. Immer häufiger geht es dabei auch um Aussagen, die im Internet nachzulesen sind. Dabei verstoßen Mitarbeiter aber nicht immer gegen Rücksichtnahmepflichten aus dem Arbeitsvertrag und gefährden damit ihren Arbeitsplatz.

Meinungsfreiheit contra Betriebsfrieden

Grundsätzlich können sich Arbeitnehmer auf ihr Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen. Das Grundrecht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Bei Beleidigungen droht die verhaltensbedingte Kündigung.

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, können einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und die fristlose Kündigung rechtfertigen, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Entsprechendes gelte für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer könne sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung berufen. Dieses Grundrecht schützt weder Formalbeleidigungen und Schmähungen, noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Die Meinungsfreiheit muss mit dem Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar können laut BAG Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich auch überspitzt oder polemisch äußern. Im groben Maß unsachliche Angriffe müsse der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (Urteil vom 10.12.2009, Az.: 2 AZR 534/08).

Äußerungen im privaten Umfeld

Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung entwickelt hat, muss bei Äußerungen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, in welchem Umfeld sie fallen. Für persönliche Gespräche – auch unter Kollegen – hat das BAG entschieden, der Arbeitnehmer dürfe regelmäßig darauf vertrauen, dass die Äußerungen nicht nach außen getragen würden. Er müsse nicht damit rechnen, dass der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet werden. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre sei Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht (Az.: 2 AZR 534/08).

Äußerungen in der Öffentlichkeit und im Internet

Die Ausführungen der Erfurter Richter zeigen, dass zwischen vertraulichen Äußerungen und solchen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, differenziert werden muss.

In einem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschiedenen Fall hatte ein Mitarbeiter einer Gemeinde als "News der Woche" im Internet mehrfach deutliche Kritik an den Aktivitäten seines Arbeitgebers veröffentlicht und behauptet, die von der Gemeinde herausgegebenen Statistiken seien gefälscht. Darin sah das LAG einen Pflichtverstoß und eine Störung des Betriebsfriedens (Urteil vom 4.11.1998, Az.: 2 Sa 330/98).

In einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 26.08.2010, Az.: 4 Sa 227/10) hat sich das Landesarbeitsgericht München mit der Außenwirkung von Äußerungen via Internet auseinandergesetzt. Ein Arbeitnehmer hatte das alte Layout des inzwischen überarbeiteten Internetauftritts seines Arbeitgebers übernommen und für die privaten Webseiten genutzt. In den „satirischen Darstellungen zum Elend der entrechteten Arbeitnehmer des Einzelhandels“, wie es im Urteil heißt, und in der nur teilweise verfremdeten Verwendung der grafischen Gestaltung und der Inhalte erblickte der Arbeitgeber eine Ehrverletzung und kündigte dem Arbeitnehmer. Zu Unrecht, wie das LAG entschied. Die Internetseiten könnten nur Insider mit dem Arbeitgeber in Verbindung bringen - Arbeitnehmer des Einzelhandelsunternehmens oder mit dem dargestellten Geschehen in besonderem, professionellem Maß vertraute Personen, etwa Lieferanten oder Großkunden. Das LAG stellt darauf ab, ob der Arbeitgeber tatsächlich aufgrund der satirischen Darstellungen erkannt worden ist. Das war nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Fall. Nicht eingeweihte Dritte würden die Internetseiten als allgemeine Kritik auf die Arbeitsbedingungen in der Branche wahrnehmen. Deshalb gingen die Richter nicht davon aus, dass der Arbeitnehmer den Betriebsfrieden gestört habe und die Webseiten konkrete Auswirkungen auf das betriebliche Geschehen durch beleidigende, verleumderische Inhalte in Richtung des Arbeitgebers hatten.

Kritik als Satire

Dem Arbeitnehmer im vom LAG München entschiedenen Fall kam auch zugute, dass die Richter seine Darstellung als Satire werteten. In der Entscheidung heißt es, dass für Satire im Spannungsfeld zur Meinungsfreiheit ein weiter Maßstab gelte. Bei erkennbar satirisch gemeinten Äußerungen seien der vom Äußernden in Wahrheit gemeinte Kern der Äußerung und die zu seiner Vermittlung verwendete sprachliche Einkleidung, die satirische Überhöhung der Aussage, gesondert zu betrachten, da dem Stilmittel der Satire oder auch der Ironie oder der Karikatur ein Element der Verzerrung und Verfremdung wesenseigen ist.

Polemische Kritik

Nach einem Urteil des BAG, das zu kritischen Äußerungen eines Arbeitnehmers im Internet ergangen ist, ist allgemeine Kritik an den allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen einerseits und am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen andererseits, auch wenn sie überspitzt und polemisch ausfällt, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und kann deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen (Urteil vom 12.01.2006, Az.: 2 AZR 21/05) und damit den Betriebsfrieden stören.

Ein aktuell vor dem LAG Düsseldorf entschiedener Fall setzt sich mit dieser Problematik auseinander. Ein langjähriger Mitarbeiter eines Paketzustellungsunternehmens hatte - so das Ergebnis der Beweisaufnahme - ein Flugblatt verteilt, in dem unter anderem zu lesen war, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter wie Sklaven behandele, Aushilfen keinen Urlaubsanspruch hätten und im Betrieb ein unternehmerfreundlicher Betriebsrat gekauft worden wäre. Diese Behauptungen reichten nicht für eine Kündigung. Der Inhalt hatte zwar beleidigenden und rufschädigenden Charakter. Das Gericht entschied aber, dass unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger bereits seit neun Jahren bei der Beklagten beschäftigt und bisher nicht einschlägig abgemahnt worden ist, dieser Vorgang die ordentliche Kündigung nicht rechtfertigen konnte (Urteil vom 16.11.2015, Az.: 9 Sa 832/15).

Fazit

Äußerungen, die Arbeitnehmer über Kollegen, Vorgesetzte oder ihr Unternehmen im Internet treffen, können eine rechtmäßige Kündigung zur Folge haben. Es kommt nach der Rechtsprechung nicht darauf an, ob die Äußerungen wertvoll oder blödsinnig, polemisch oder sachlich sind, sondern, ob sie noch von der Meinungsfreiheit gedeckt werden. Dabei berücksichtigen die Gerichte immer die Umstände des Einzelfalles, etwa die Vorgeschichte der Äußerung, das sonstige Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb oder den Zweck, den er mit seinen Aussagen verfolgt. Will er gezielt Beleidigungen aussprechen, werden die Aussagen kaum zu rechtfertigen sein. Allgemeine Kritik an Arbeitsbedingungen ist dagegen in der Regel von der Meinungsfreiheit gedeckt.

© bund-verlag.de (mst)

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