Leiharbeit und Werkvertrag

Mogelpackung bleibt Mogelpackung

07. Juni 2016

Die Regierung hat das Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkvertrag auf den Weg gebracht. Ab 2017 sollen strengere Regeln gelten. Die Verleihdauer bei der Leiharbeit wird auf 18 Monate begrenzt, ab 9 Monaten gilt Equal Pay. Doch unser Experte Jürgen Ulber sieht wenig Positives, denn viele der Regelungen ließen sich leicht von den Arbeitgebern aushebeln.

1. Sind Sie, Herr Ulber, nun mit dem Gesetzentwurf zufrieden, was bewerten Sie positiv, was negativ?

Positiv ist, dass dem Missbrauch der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bei illegalen Werk- und Dienstverträgen ein Riegel vorgeschoben wird. Ansonsten gibt es aus Sicht der Arbeitnehmer nichts Positives zu berichten. Anders stellt sich dies für die Arbeitgeber dar, deren Präsident Ingo Kramer das Gesetz „sehr“ begrüßt. 2. Leiharbeitnehmer dürfen nur maximal 18 Monate verliehen werden. Ist das ausreichend oder benötigen wir noch strengere Regeln?

18 Monate sind ohnehin eine lange Überlassungsdauer. Sie soll nach dem Gesetz durch Tarifverträge sogar unbegrenzt verlängert werden können. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass die Überlassungshöchstdauer nur arbeitnehmerbezogen gilt. Dadurch können die Entleihbetriebe zukünftig alle Arbeitsplätze durch einen bloßen Austausch des Leiharbeitnehmers mit Leiharbeitnehmern besetzen. I.E. stellt die Regelung damit eine Legalisierung bislang illegaler Formen der Arbeitnehmerüberlassung dar.

3. Gegen die Equal Pay Regelungen laufen die Leiharbeitsfirmen Sturm. Sie befürchten eine Flut von Klagen – warum? Ist die Kritik berechtigt?

Es ist ein bezeichnendes Verständnis der Verleihbranchen, wenn sich die Verleiher darüber beklagen, dass Leiharbeitnehmer ihre Ansprüche auf Equal-Pay einklagen, wenn ihr Arbeitgeber seinen gesetzlichen Pflichten zur Gleichbehandlung nicht nachkommt. Nur am Rande sei hierbei angemerkt, dass Leiharbeitnehmer Ansprüche auf Equal- Pay schon bisher allenfalls nach einer Kündigung eingeklagt haben. In der Branche gilt weitgehend das Motto: wer Ansprüche einklagt, wird entlassen.

4. Wie bewerten Sie die Regelungen für den Werkvertrag? Können damit die Missbrauchsfälle bekämpft bzw. verhindert werden?

Positiv ist, dass Verträge, die nur zum Schein als Werk- oder Dienstverträge abgeschlossen werden, nunmehr illegal sind. Liegt Arbeitnehmerüberlassung vor und ist der Vertrag nicht ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet, kommt zukünftig kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzbetrieb zustande. Eine wirksame Sanktion gegen illegale Beschäftigung, aber aus Arbeitgebersicht eine Folge, die verhindert werden muss. Hierzu stellt das Gesetz ein neues Instrument zur Verfügung: zukünftig kann der Entleiher von den Folgen illegaler Arbeitnehmerüberlassung dadurch befreit werden, dass der Leiharbeitnehmer dem Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses „freiwillig“ widerspricht.

5. Würden Sie sich insgesamt noch stärkere Mitbestimmungsrechte wünschen? Wenn ja – in welchen Bereichen?

Das Gesetz sieht keinerlei Verbesserungen bei der Mitbestimmung vor. Es fehlen insbesondere Mitbestimmungsrechte bei werk- und dienstvertraglichen Einsatzformen. Ein Hoffnungsschimmer ist hier der Gesetzentwurf des Bundesrats, der entsprechende Mitbestimmungsrechte vorsieht. Es bleibt abzuwarten, ob der Entwurf der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren um den Entwurf des Bundesrats ergänzt werden kann.

6. Die Arbeitsministerin nennt das Gesetz einen Erfolg. Würden Sie dem zustimmen und – wenn ja – in welchen Bereichen ist es ein erfolgreiches Vorhaben?

Wenn man es als Erfolg bezeichnet, dass Leiharbeitnehmer nach dem Gesetzentwurf für die ersten neun Monate einer Beschäftigung beim Entleiher vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgeschlossen werden, trifft die Aussage von Frau Nahles zu. Und dieser „Erfolg“ wird ja noch dadurch gesteigert, dass überhaupt nur 20% der Leiharbeitnehmer die Chance haben einen Equal- Pay- Anspruch zu erlangen, da ca. 80 % aller Leiharbeitsverhältnisse nicht länger als neun Monate dauern.

Und da das Gesetz den Verleiher nicht daran hindert, den Leiharbeitnehmer bei Ablauf den 9-Monatsfrist beim Entleiher durch einen anderen Leiharbeitnehmer zu ersetzen, liegt es im Belieben des Entleihers, ob ein Leiharbeitnehmer jemals einen Anspruch auf Equal-Pay erlangt. Im Hinblick auf die Stärkung der unternehmerischen Freiheit kann die Arbeitsministerin insoweit von einem erfolgversprechenden Vorhaben sprechen. Aus Sicht der Arbeitnehmer ist dieses Vorhaben allerdings nichts anderes als eine üble Mogelpackung.

Der Interviewpartner:

Jürgen Ulber,

Volljurist und im Vorstand der IG Metall tätig. Lehrbeauftragter der Leibniz Universität Hannover und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rechtsanwaltsbüro Trittin, Frankfurt/M.

Von ihm stammen zahlreiche Kommentare/ Veröffentlichungen zum AÜG, Arbeitszeitrecht, Arbeitnehmerentsendegesetz und SGB III.


© bund-verlag.de (mst)

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