Arbeitslohn - Der DGB Rechtsschutz kommentiert

Minusstunden sind kein Vorschuss

22. Juni 2016

Der Arbeitgeber trägt selbst das Risiko, dass er die Arbeitsleistung nicht abnehmen kann. Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto kann er nicht auf den Lohn anrechnen. Er schuldet den vollen Lohn aus Annahmeverzug.

Arbeitgeber behält Lohn für Minusstunden ein

Der Arbeitgeber betätigt sich als Zulieferer von Werften. Zusätzlich besitzt er eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, um die Arbeitnehmer in den Phasen fehlender Aufträge nicht entlassen zu müssen. Neben seiner Arbeit als Monteur war der Kläger bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auch als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Zusätzlich zum Arbeitsvertrag haben er und der Arbeitgeber vereinbart, ein Arbeitszeitkonto zu führen.

Die über die geschuldete Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden sollten entweder in Freizeit ausgeglichen oder abgegolten werden. Für den Fall, dass mehr Freizeitausgleich gewährt wurde, als überhaupt gegeben war, konnte dies mit weiteren Überstunden ausgeglichen oder als »unbezahlt frei« abgerechnet werden. Nach der Kündigung des Klägers behielt der Arbeitgeber Arbeitslohn für 376 Minus-Stunden ein, die auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers eingetragen waren.

Minus-Stunden sind kein Vorschuss

Das Gericht hat dem Kläger die Vergütung ohne Abzüge durch den Arbeitgeber zugesprochen. Zwar kann im Einzelfall ein negatives Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto so gedeutet werden, dass es sich um einen Gehaltsvorschuss handelt.

Allerdings ist dies nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer verlangt hat, von der Arbeit befreit zu werden. Das negative Stundenkonto beruht also auf seiner Entscheidung. Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber einen Vorschuss zahlen wollte.

Wenn der Arbeitnehmer mangels Aufträgen nicht beschäftigt werden kann, bleibt der Lohnanspruch bestehen. Der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug.

Praxistipp: Annahmeverzug des Arbeitgebers

Das wirtschaftliche Risiko seines Unternehmens trägt der Arbeitgeber selbst. Damit er das Risiko bei einer schlechten Auftragslage nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen kann, muss er die Beschäftigten weiter bezahlen, wenn er sie in einer solchen Situation von der Pflicht zur Arbeitsleistung freistellt. Damit dieser Grundsatz nicht umgangen werden kann, ist er gesetzlich geregelt (§ 615 BGB).

Ausnahmen können vereinbart werden

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können miteinander vereinbaren, dass der Anspruch auf Lohn entfällt, wenn der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät. Gleiches kann auch durch einen Tarifvertrag geregelt werden. Jedoch sind die Anforderungen an entsprechende Klauseln hoch. Sie müssen klar und eindeutig sein, sonst sind sie unwirksam. Sobald das Entgeltrisiko auf den Arbeitnehmer verlagert werden soll, ist der Spielraum begrenzt.

Besonderheiten bei Leiharbeitern

Nach dem Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) kann das Recht des Leih-AN auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht aufgehoben oder beschränkt werden. Im Bereich der Leiharbeit kann es zu Schwankungen in der Auftragslage kommen. Trotzdem hat der Verleiher in allen Fällen, in denen er die Leiharbeitnehmer nicht beschäftigen kann, den vereinbarten Lohn zu zahlen. Damit sind auch Regelungen zur »Arbeit auf Abruf« unwirksam, da der Verleiher so das Betriebsrisiko auf die Beschäftigten verlagern möchte.

Mitbestimmung bei Arbeitszeitkonten

Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn Arbeitszeitkonten eingeführt werden ( § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). In einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ist darauf zu achten, dass Risiken des Arbeitgebers nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Die Fälle, in denen ein Konto ins »Minus« rutschen kann, sollten genau geprüft werden.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, 13.10.2015 – 2 Sa 113/15Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH
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