Schulungsanspruch

Eilbedarf: Wenn der Betriebsrat schnell eine IT-Schulung braucht

08. Februar 2024
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Quelle: Pixabay.com | Bild von Mohamed Hassan

Ist Eile geboten, können Betriebsräte die Erforderlichkeit von Schulungen auch im einstweiligen Rechtsschutz prüfen lassen. Auch langjährige Betriebsräte haben Anspruch auf IT-Schulungen, etwa wenn der Arbeitgeber neue Kassensysteme einführt – so nun das Hessische LAG in einer erfreulichen Entscheidung.

Das war der Fall

Arbeitgeber und der Betriebsrat streiten über die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern für eine Schulungsveranstaltung sowie die Übernahme der Kosten. Der Arbeitgeber ist ein Textileinzelhandelsunternehmen und hat kürzlich ein neues digitales Kassensystem eingeführt. Die Einführung von Selbstbedienungskassen in den Verkaufsräumen ist geplant und steht bevor.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stattgegeben. Der Arbeitgeber bestreitet die „Erforderlichkeit“ für die Schulung. Er rügt zudem, dass für ein einstweiliges Verfügungsverfahren kein Beschluss vorliege. Da eine Umstrukturierung des Betriebs bevorstehe, könnten die Betriebsratsmitglieder zudem ihr Amt verlieren.

Das sagt das Gericht

Das Gericht weist die Beschwerde des Arbeitgebers ab und gibt dem Betriebsrat – jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren – Recht. Die beiden Betriebsratsmitglieder konnten an der Schulung teilnehmen. Die Schulung ist gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich.

Das Gericht gab dem Antrag des Betriebsrats mit diesen Erwägungen statt:

  • Das Einleiten eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war hier richtig, da die Schulung unmittelbar bevorstand und daher Eile geboten war.
  • Ein Betriebsratsbeschluss für die Entsendung der Betriebsräte in die Schulung lag vor. Mögliche Fehler bei der Ladung waren „geheilt“, da alle Betriebsratsmitglieder einstimmig für den Beschluss gestimmt haben.
  • Die Schulung war „erforderlich“, weil der Arbeitgeber bereits Teile der relevanten Technologie eingeführt hat. Dies beinhaltet das HIPOS-Kassensystem und die bevorstehende Einführung von Selbstbedienungskassen. Die Schulung behandelte auch „neue“ Technologien wie das Bezahlen am Umkleideraum und sog. Softtags zur Waren­sicherung.
  • Die Schulung zielte darauf ab, Betriebsräte in Bezug auf Mitbestimmungsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit diesen Technologien zu schulen.
  • Die Schulungsdauer von drei Tagen war angemessen.
  • Es ist auch sinnvoll, dass zwei Betriebsratsmitglieder teilnehmen, um sich austauschen zu können.

Der Arbeitgeber muss daher die Kosten für die Schulung und die Anreise der Betriebsratsmitglieder gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG übernehmen.

Das ist für die Praxis wichtig

Hier handelt es sich bei den IT-Schulungen um Spezialschulungen im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG, deren „Erforderlichkeit“ die Betriebsräte gesondert begründen müssen. Sofern dabei noch neues Wissen vermittelt werden kann, scheitert die Erforderlichkeit weder daran, dass es sich um langjährige Betriebsratsmitglieder handelt, noch daran, dass das IT-System, um das es geht, schon eingeführt ist. Betriebsräte haben bei der Begründung für die „Erforderlichkeit“ zum Glück einen Ermessensspielraum.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

Hessisches LAG (30.10.2023)
Aktenzeichen 16 TaBVGa 173/23
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