Bronzepreisträger im Interview

Intern vor extern: gegen unerlaubte Leiharbeit

18. April 2024
Bronze

Der Personalrat des IT-Systemhauses der Bundesagentur für Arbeit (BA) bemängelte einen hohen Anteil externer Dienstleister. Harald Mohr, Vorsitzender des Gremiums, über unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung und die notwendige Welle zur Erhöhung der Eigenleistungsfähigkeit.

Können Sie uns kurz erläutern, was hinter dem IT-Systemhaus der BA steckt?

Wir betreuen von Nürnberg aus eine der größten IT-Landschaften in Deutschland. In den Arbeitsagenturen und Jobcentern stehen bundesweit mehr als 180.000 PC-Arbeitsplätze, dazu kommen fast 14.000 Server. Das IT-Systemhaus der BA, Stand heute, hat etwa 1.900 eigene Beschäftigte, die hier am Hauptstandort und von weiteren sechs Satelliten die IT bundesweit am Laufen halten. Der IT-Haushalt der BA beläuft sich auf über 700 Mio. Euro.

Warum ist der Anteil externer Dienstleister kontinuierlich gestiegen?

Wie Sie sich vorstellen können, haben alle großen Anbieter von Software-Dienstleistungen Interesse, bei diesem Volumen einen Teil vom Kuchen abzubekommen, zumal es sich hier nicht um Werks- sondern um Dienstleistungsverträge handelt. Wir sind daher ein attraktiver Auftraggeber für IT-Berater und über die Jahre entstand daraus eine Eigendynamik bei der Auftragsvergabe. Bevor wir mit unserem Projekt den Anteil der Eigenleistungsfähigkeit steigern konnten, waren neben den damals ca. 1.500 Beschäftigten des IT-Systemhauses zum Teil eine gleich hohe Zahl von Externen im Einsatz. In manchen Bereiche waren die Externen sogar in der Mehrheit.

Warum gab es von Seiten der BA kein Interesse, die Eigenleistungsfähigkeit zu steigern?

Externe Dienstleister sind im »Handling« für die Führungskräfte oft einfacher – etwa was die Regelungen bei Krankheit oder anderen Arbeitsausfällen betrifft. Die externen Unternehmen haben über die Jahre zudem gute Drähte in die Führungsbereiche des Hauses aufgebaut. Im Laufe der Zeit wurden die »Externen« mehr und mehr als Kolleg:innen wahrgenommen. Gleichwohl arbeiten sie zu eigenen Konditionen und erhalten von ihrem Auftraggeber beispielsweise Getränke während der Arbeit gestellt, was unseren Beschäftigten dann schon deutlich gemacht hat, dass es hier zu Ungleichheiten in der Behandlung kommt. Viele Kolleg:innen fühlten sich an den Rand gedrängt. Denn es entstand bei ihnen der Eindruck, dass die qualifizierten Aufgaben eher an Externe vergeben wurden. Von den Kosten, die für die externe Beratung berechnet werden, mal ganz zu schweigen.

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Wie ging es dann weiter?

Wir haben eigene Informationen gesammelt und die Geschäftsführung – zu Beginn leider ohne Wirkung – um Zahlen zur Beschäftigung externer Dienstleister aufgefordert. Da das nichts brachte, beauftragten wir einen Anwalt und reichten das Verfahren Anfang 2020 vor dem Verwaltungsgericht ein. Obwohl wir jeden Schritt gegenüber dem Arbeitgeber angekündigt hatten, kam erst nach Einreichung einer zweiten Klage deutliche Bewegung in die Angelegenheit. Diese Welle schlug dann bis in den Vorstand der BA und plötzlich zeichnete sich ab, dass hier gegengesteuert werden sollte. Eine Organisationsuntersuchung wurde durchgeführt. Sie zeigte klar die von uns bereits lange benannten Defizite auf und es folgten daraus Anweisungen, grundlegende Änderungen bei der Beauftragung von externen Dienstleistern anzuschieben und deren Volumen zu reduzieren.

Was heißt das konkret?

Im IT-Systemhaus werden in einem Zeitraum von fünf Jahren nun über 600 neue Stellen geschaffen, bei gleichzeitiger Reduzierung der externen Dienstleister. In diesem Jahr wird die erste Charge mit 101 neuen Stellen umgesetzt, die weiteren dann in den Folgejahren. In Summe führt das zu Einsparungen von jährlich 44 Mio. Euro im Sachhaushalt der Bundesagentur.

Das Interview führte Christof Herrmann, Pressesprecher des Bund-Verlags.

Aus: Der Personalrat 4/2024, S. 18f.

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