Sonderpreis Gute Arbeit 2023

Kurzpräsentation

Stichworte zum Projekt

• Zunahme von Überlastungsanzeigen
• Betriebsrat entwickelt mangels Vorlagen einen innovativen eigenen Entwurf für eine freiwillige Betriebsvereinbarung (BV)
• Damit können Beschäftigte formlos (Über-)Belastung anzeigen. Außerdem regelt die BV Maßnahmen, um frühzeitig und präventiv Belastungssituationen anzusprechen und im Sinne der Gesunderhaltung der Beschäftigten zu entschärfen

Motiv

Ende 2021/Anfang 2022 meldeten sich Kolleginnen und Kollegen am ArianeGroup Standort Bremen bei ihren Führungskräften und dem Betriebsrat wegen Überlastung. Diese Überlastungsanzeigen wurden zwar bearbeitet, jedoch fehlte ein entsprechender betrieblicher Prozess. Als dem Betriebsrat in diesem Zeitraum dann auch noch hinreichend Zahlen, Daten und Fakten zur Verfügung standen, die belegten, dass weitaus mehr Arbeitsleistung vom Standort abgefordert wurde, als Personalkapazität zur Verfügung stand, entschied sich das Gremium gegenzusteuern und einen strategischen Plan gegen Überlastung auszuarbeiten. Da es keinerlei Betriebsvereinbarungen zum Verfahren bei Überlastung gab, beschloss der Bremer Betriebsrat, selbst die Initiative zu ergreifen, und eine derartige Vereinbarung von Grund auf neu aufzusetzen.

Vorgehen

Es gab im Netzwerk der Metall- und Elektro-Industrie keinerlei Vorlagen für eine Betriebsvereinbarung. Die frei zugänglichen Muster zu Überlastungsanzeigen stammten durchgängig aus dem Gesundheitssektor. Daher entschied sich der Fachausschuss dafür, einen eigenen Entwurf aufzusetzen. Als Basis hierfür diente eine bestehende BV über Suchtprävention und Suchtintervention, da diese bereits einen Stufenplan vorsah. Dieser erste Entwurf wurde mit dem Gestaltungsraster für Betriebs- und Dienstvereinbarungen zum Thema "Überlastungsanzeigen" der Hans-Böckler-Stiftung abgeglichen. Darüber hinaus wurden Erfahrungen des BR mit angezeigten Überlastungssituationen betroffener Kolleg:innen berücksichtigt. Zudem wurde ein beratender Rechtsanwalts mit einbezogen. Nach ergänzender Rücksprache mit dem Bereich Health, Safety & Environment (HSE) wurde der Entwurf dem Arbeitgeber übermittelt. Die Rückmeldung war äußerst positiv. Auf Basis des BR-Vorschlages wurde anschließend innerhalb weniger Wochen im Konsens eine finale Version erarbeitet, die dann Anfang Februar 2023 vom BR-Gremium einstimmig beschlossen wurde. In der Woche nach Unterzeichnung der BV wurde die Belegschaft über eine gemeinsame BR/HR/HSE-interne Kommunikation über die neue Betriebsvereinbarung informiert.
 

Ergebnisse

Vor dem Hintergrund eines hohen Arbeitsvolumens und einer zu dünnen Personaldecke hat der Betriebsrat der ArianeGroup GmbH in Bremen mit dem Arbeitgeber eine freiwillige Betriebsvereinbarung (BV) verhandelt, mit der Beschäftigte formlos (Über-) Belastung anzeigen können. Neben einem zweistufigen Interventionsverfahren, welches darauf abzielt, frühzeitig Belastungssituationen anzusprechen und zu entschärfen, regt die BV "zu Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei psychischen und/oder physischen (Über-) Belastungen von Beschäftigten Maßnahmen, mit denen präventiv gegen Belastung vorgegangen werden kann. Im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes leistet diese BV einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung der Mitarbeitenden. Außerdem hat diese Pilotvereinbarung der Metall- und Elektroindustrie das Potential, Betriebsräten ein weiteres Argument für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Personalplanung an die Hand zu geben. Mit dieser Betriebsvereinbarung wird ein Umfeld geschaffen, in dem Mitarbeitende und Führungskräfte offen und geschützt über Belastungssituationen sprechen können, um anschließend Unterstützung vom Unternehmen zu erhalten.

Zum Zeitpunkt der Bewerbung liefen die Beratungen in den BR-Gremien der anderen drei Standorte der ArianeGroup in Deutschland mit den Ziel, die BV auch dort zur Anwendung zu bringen.