Arbeitsunfähigkeit

Entgeltfortzahlung: Beschäftigte müssen Erkrankungen offenlegen

10. Mai 2023
AU, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit
Quelle: iStock.com, diephosi

Beschäftigte bekommen im Krankheitsfall sechs Wochen lang Entgeltfortzahlung. Wer wegen mehrerer Erkrankungen aber insgesamt länger als sechs Wochen krank ist und deshalb auch länger Entgeltfortzahlung will, muss nachweisen, dass es sich tatsächlich um verschiedene Erkrankungen handelt. Beschäftigte müssen dann alle relevanten Daten offenlegen und dafür gegebenenfalls auch Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden.

Das war der Fall

Der Kläger war seit 2012 bei der Beklagten beschäftigt. In der Zeit zwischen dem 24. August 2019 und dem 13. August 2020 war er an insgesamt 110 Tagen arbeitsunfähig erkrankt.

Zwischen dem 18. August und 23. September 2020 erkrankte der Arbeitnehmer mehrfach erneut für ein bis drei Tage. Hierfür leistete die beklagte Arbeitgeberin aber keine Lohnfortzahlung mehr. Sie begründete dies damit, dass es sich dabei um Fortsetzungserkrankungen handeln, für die der Entgeltfortzahlungszeitraum überschritten sei.

Der Kläger war dagegen der Ansicht, Grund für seine Fehltage zwischen dem 18. August und 23. September 2020 seien verschiedene neue Erkrankungen gewesen und verlangte daher weitere Lohnfortzahlung für insgesamt zehn Tage. Zum Nachweis legte er mehrere Erstbescheinigungen mit entsprechenden ICD-10-Codes vor. Bezüglich etwaiger Vorerkrankungen machte er Angaben zu von ihm ausgewählten Arbeitsunfähigkeitszeiten, verweigerte aber aus Datenschutzgründen, sämtliche Erkrankungen aus der davorliegenden Zeit offenzulegen.

Das sagt das Gericht

Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht, dem Kläger stehe keine Entgeltfortzahlung für die weiteren zehn Tage zu.

Beschäftigte müssen alle Erkrankungen offenlegen

Nachdem die Beklagte das Vorliegen einer Ersterkrankung bestritten habe, sei der Kläger der ihn treffenden abgestuften Darlegungslast nicht nachgekommen. Er habe laienhaft bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern müssen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben und die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden müssen. Das habe der Kläger durch die von ihm selbst getroffene Auswahl von Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht getan. Darüber hinaus genüge der Verweis auf ICD-10-Codes nicht, da sich daraus nicht ergebe, ob Krankheitssymptome eventuell auf dem gleichen Grundleiden beruhten.

Pflicht zur Offenlegung von Gesundheitsdaten ist gerechtfertigt

Den datenschutzrechtlichen Argumenten des Klägers folgte das BAG nicht. Zwar stelle die Pflicht zur Offenlegung von Gesundheitsdaten einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz dar. Dieser sei allerdings verhältnismäßig und gerechtfertigt, da nur so eine materiell richtige Entscheidung getroffen und das Recht der Gegenseite auf rechtliches Gehör gesichert werden könne. Nur so können geklärt werden, ob ein weiterer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht.

Albane Lang, Richterin am Arbeitsgericht

Quelle

BAG (18.01.2023)
Aktenzeichen 5 AZR 93/22
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