Kündigung

Fristlose Kündigung bei vorgetäuschter Krankheit

27. Januar 2022
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Quelle: © Jeanette Dietl / Foto Dollar Club

Weist der Arbeitgeber nach, dass eine Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer nur vorgetäuscht war, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Es genügt jedoch nicht, wenn lediglich der Verdacht der Vortäuschung besteht – so das LAG Nürnberg.

Das war der Fall

Eine Arzthelferin war in einer Arztpraxis mit vier Kolleginnen tätig. Im April 2020 war für zehn Tage eine Praxisschließung geplant und Urlaub erteilt worden. Aufgrund angeordneter Quarantäne musste die Praxis jedoch bereits von Mitte März bis Anfang April schließen. Aus diesem Grund hob der Arzt die Praxisschließung für die darauffolgenden Tage auf und widerrief den zugesagten Urlaub.

Die Arzthelferin und ihre Kolleginnen waren hiermit nicht einverstanden. Der Arzt hielt an der Praxisöffnung fest. Daraufhin meldete sich die Arzthelferin, die unter Vorerkrankungen litt, mit Attest für die Zeit des eigentlichen Urlaubs krank, wie auch zwei weitere Kolleginnen, woraufhin der Arzt die fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung erklärte.

Die Arzthelferin wehrte sich gegen die fristlose Kündigung und machte Gehaltsansprüche sowie Urlaubsabgeltung geltend.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist mangels wichtigen Grundes nicht durch die fristlose, sondern erst durch die ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Allerdings ist der Urlaubsabgeltungsanspruch der Arzthelferin um den genommenen Urlaub zu kürzen, denn eine Arbeitsunfähigkeit sei von ihr nicht nachgewiesen worden, so das LAG Nürnberg.

Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit stelle einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fernbleibt, obwohl keine Krankheit vorliegt. Das Gericht war hier jedoch nicht von einer Täuschung überzeugt, da die Krankheitssymptome der Arzthelferin aus Sicht ihrer Ärztin glaubhaft geschildert worden waren.

Zwar durfte der Arbeitgeber an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zweifeln, da alle vom Urlaubswiderruf betroffenen Arzthelferinnen sich für diesen Zeitraum krankgemeldet hatten. Jedoch konnte die Arzthelferin ihre Erkrankung gegenüber dem Gericht schlüssig darlegen, sodass die Beweislast für das Vortäuschen beim Arbeitgeber lag, der diesen Nachweis jedoch nicht erbracht habe.

Urlaubswiderruf nur in Ausnahmefällen

Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitgeber einen bewilligten und noch nicht angetretenen Urlaub nur ausnahmsweise einseitig widerrufen. Die Urlaubsgewährung war im vorliegenden Fall wirksam, der Widerruf durch den Arzt sei mangels Ausnahmesituation unwirksam gewesen, befand das BAG.

Die Tage der behaupteten Arbeitsunfähigkeit seien jedoch auf den Urlaubsanspruch der Arzthelferin anzurechnen, da sie die Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen habe. Hier lag die Beweislast wiederum bei der Arzthelferin, da der Beweiswert des Attestes aufgrund der Vorgeschichte erschüttert war.

Eine persönliche Untersuchung der Arzthelferin habe pandemiebedingt nicht stattgefunden, sodass die Ärztin aus Sicht des Gerichts die Arbeitsunfähigkeit nicht habe feststellen und bestätigen können. Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Arzthelferin sei daher um die Tage des genommenen Urlaubs zu reduzieren.

Das muss der Betriebs- und Personalrat wissen

Der Arbeitgeber kann bereits gewährten Urlaub nur in Ausnahmefällen einseitig widerrufen.

Besteht der Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit, kann ein wichtiger Grund für die Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Eine fristlose Kündigung ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die Täuschung vom Arbeitgeber nachgewiesen wurde. Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs, muss er durch eine ärztliche Bescheinigung nachweisen, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorlag. Nur dann werden die von der Bescheinigung erfassten Tage nicht auf den Urlaub angerechnet (§ 9 BUrlG).

© bund-verlag.de (jv)

Quelle

LAG Nürnberg (27.07.2021)
Aktenzeichen 7 Sa 359/20
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