Weiterbeschäftigungsanspruch - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Beschäftigungsanspruch bei zwischenzeitlichem Vertrag mit einem anderen Arbeitgeber

23. Januar 2014

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis ruht, ist es nicht treuwidrig, wenn der Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung verlangt, nachdem er im Rahmen einer Umstrukturierung ein weiteres Arbeitsverhältnis eingegangen ist.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.09.2013, Aktenzeichen: 13 Sa 31/13

Leitsätze der Redaktion:
1. Eine konkludente Ruhensvereinbarung, welche die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien suspendiert, kommt nur dann in Betracht, wenn beide Parteien übereinstimmend vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ausgehen.
2. Fehlt es an einer solchen Ruhensvereinbarung, ist es grundsätzlich nicht treuwidrig, wenn sich der Arbeitnehmer auf seinen Beschäftigungsanspruch beruft, auch wenn zwischenzeitlich ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bestanden hat und dieses gegen Zahlung einer Abfindung im Wege eines Aufhebungsvertrages beendet wurde.
3. Ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung kann nur für die Zukunft geltend gemacht werden.

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Bettina Fraunhoffer LL.M.,

DGB Rechtsschutz GmbH

Der Arbeitnehmer erstritt sich mit der Klage die Weiterbeschäftigung bei seinem »alten« Arbeitgeber. Er war seit 1976 als Fernmeldehandwerker beschäftigt gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der »Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung« (kurz: TV Ratio) und das Entgeltsystem der Telekom Anwendung. Der TV Ratio hatte die sozialverträgliche Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen zum Inhalt. Der Arbeitnehmer war hiervon betroffen und unterschrieb einen neuen Arbeitsvertrag mit einer Beteiligungsgesellschaft V. des ehemaligen Arbeitgebers. Das alte Arbeitsverhältnis wurde jedoch nicht aufgehoben oder gekündigt, es wurde kein dreiseitiger Vertrag unterzeichnet. Nach vier Jahren fand in der V. ein Stellenabbau statt, dem Arbeitnehmer wurde ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungssumme (120 000 €) angeboten, den dieser unterschrieb. Im Nachgang machte der Arbeitnehmer aber gegenüber dem »alten« Arbeitgeber geltend, dass noch ein Arbeitsvertrag bestünde, weil dieser damals nicht aufgelöst worden war. Er habe nun kein Arbeitsverhältnis mit dem »neuen« Arbeitgeber mehr, und wolle nun beim »alten« Arbeitgeber beschäftigt werden. Dies setzte er mit vorliegender Klage auch durch.

Das LAG bestätigt die Rechtsansicht, dass ein Arbeitsverhältnis zum alten Arbeitgeber nicht gekündigt oder aufgelöst sei und daher der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend machen kann. Eine solche scheitere auch nicht daran, dass ein Sonderfall vorliege durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass das Arbeitsverhältnis ruhe. Es gibt hierzu keine schriftliche, mündliche oder konkludente Vereinbarung. Da das Arbeitsverhältnis zum »neuen« Arbeitgeber beendet war und der »alte« Arbeitgeber mehr als tausend Beschäftigte hatte, konnte der Arbeitnehmer richtigerweise seinen Beschäftigungsanspruch durchsetzen. Das LAG entschied jedoch zu Lasten des Arbeitnehmers, dass ein solcher nur für die Zukunft geltend gemacht werden könne und nicht für die Vergangenheit. Dies ist richtig, denn die tatsächliche Beschäftigung ist nicht nachholbar, so dass sich ein solches Verlangen nur auf die Zukunft richten kann.

Wieder einmal zeigt es sich, dass man bei arbeitsrechtlichen Beratungen auch kleine Details berücksichtigen muss. Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer zum damaligen Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber nicht aufgelöst hat und keinen dreiseitigen Vertrag unterschrieben hat mag Zufall sein, oder aber eben einer damalig guten Rechtsberatung geschuldet. Im Endziel hat der Arbeitnehmer obsiegt, indem er eine Abfindung erzielt hat und zudem noch einen Arbeitsplatz erhalten hat.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Weiterbeschäftigung nach der Kündigung sichern« von Achim Thannheiser in »Arbeitsrecht im Betrieb« 3/2013, S. 185–190.

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