Urlaub verfällt nur nach Hinweis des Arbeitgebers

In diesem Verfahren ging es um einen als Wissenschaftler beschäftigten Arbeitnehmer, der seinen früheren Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung in Anspruch nahm. Nach einer Beschäftigungsdauer von mehr als zwölf Jahren endete das Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres 2013.
Der Arbeitnehmer verlangte sodann die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013 – immerhin fast 12.000 Euro brutto.
Verfall des Resturlaubs streitig
Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Er vertrat die Auffassung, dass der nicht genommene Urlaubsanspruch zum Jahresende verfallen war.
Dabei spricht die Gesetzeslage in Deutschland zunächst für die Position des Arbeitgebers. In § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG ist geregelt, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG galt, dass nicht genommener Urlaub grundsätzlich verfällt.
In dem hiesigen Rechtsstreit hatte die Klage des Arbeitnehmers bis in die zweite Instanz dennoch zunächst Erfolg. Nach der daraufhin eingelegten Revision des Arbeitgebers wandte sich das BAG wegen des europarechtlichen Bezugs des Rechtsstreits an den EuGH. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens legte es dem EuGH die Frage vor, ob die europäische Richtlinie 2003/88/EG einer solchen Verfallsregelung wie in § 7 BUrlG entgegensteht.
Automatischer Verfall verstößt gegen EU-Recht
Der EuGH hat die Vorlagefragen bereits am 06.11.2018 dahingehend beantwortet, dass Arbeitnehmer ihre Urlaubsansprüche nicht deshalb automatisch verlieren dürfen, weil sie bis zum Ende des Kalenderjahres keinen Urlaub beantragt haben. Sie müssten stattdessen vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt werden, diesen Anspruch wahrzunehmen.
Insofern war die nunmehr getroffene Entscheidung des BAG keine Überraschung mehr: dem Arbeitgeber obliegt unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Arbeitgeber gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Erforderlichenfalls muss er ihn konkret auffordern, dies zu tun. Der Arbeitgeber muss klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen werde, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
Praxishinweise
Ein Verfall des Urlaubes kann demzufolge nur noch unter zwei Bedingungen eintreten:
- der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer rechtzeitig und konkret auffordern, den Urlaub zu nehmen;
- und er muss darauf hinweisen, dass der Urlaub andernfalls mit Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erlischt.
Ob der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten genügt hat, ist nun jeweils im Einzelfall zu prüfen. Will sich der Arbeitgeber darauf berufen, seinen Pflichten hinreichend nachgekommen zu sein, trägt er hierfür die Beweislast.
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Der Arbeitnehmer als die schwächere Vertragspartei darf nicht davor abgeschreckt werden, seine Rechte geltend zu machen. Es ist daher richtig, dem Arbeitgeber mit der Hinweispflicht ein Tätigwerden aufzuerlegen.
Das Urteil ist insofern wichtig für Betriebsräte, als dass sie die Beschäftigten entsprechend beraten müssen, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach Ablauf des Urlaubsjahres verweigert.
Wird im Unternehmen ein Urlaubsplan aufgestellt, unterliegt dieser nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG der Mitbestimmung. Nach der hiesigen Entscheidung kann aber auch ein solcher Urlaubsplan den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung befreien, im Einzelnen die Beschäftigten auf bestehende restliche Urlaubsansprüche hinzuweisen und deren Verfall für den Fall der Nichtnutzung anzukündigen.
Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH.
Quelle
Aktenzeichen 9 AZR 541/15
Diese Entscheidungsbesprechung erhalten Sie als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 20.3.2019.