Wahlvorschläge dürfen Frist ausreizen

Das war der Fall
In dem Verfahren stritten sich eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft mit Betriebsrat und Arbeitgeberin über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl, unter anderem über die Frage, ob ein weiterer Wahlvorschlag unrichtigerweise nicht zugelassen worden war. Die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen endete am 18. Juli 2018 um 24 Uhr. Gegen 21 Uhr hätten zwei Wahlberechtigte beim Wahlvorstand die Vorschlagsliste mit dem Kennwort »Für dich & P« einreichen wollen und in den Briefkasten eingelegt, nachdem an der Adresse des Wahlvorstands niemand anzutreffen war.
Das sagt das Gericht
Auf den Zugang von Wahlvorschlägen beim Wahlvorstand finden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung, so das BAG. Daher war die Vorschlagsliste »Für dich & P« zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen worden.
Betriebsrat hätte Vorkehrungen treffen müssen
Ob der zulässige Wahlanfechtungsantrag begründet ist, konnte das BAG auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen zwar nicht abschließend beurteilen, stellte aber klar:
Die Vorschlagslisten sind gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 WO von den Wahlberechtigten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einzureichen. Für die Berechnung der Frist finden nach § 41 WO die §§ 186 bis 193 BGB entsprechende Anwendung. Der Tag, an dem das Wahlausschreiben erlassen wurde, wird nicht mitgerechnet. Die Frist endet damit nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem das Wahlausschreiben erlassen wurde. In dem Wahlausschreiben hat der Wahlvorstand nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO anzugeben, dass Wahlvorschläge vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand in Form von Vorschlagslisten einzureichen sind. Dabei ist der letzte Tag der Frist anzugeben. Dieser Pflicht ist der Wahlvorstand in dem am 4. Juli 2018 veröffentlichten Wahlausschreiben nachgekommen mit der Vorgabe, die Listen bis zum 18. Juli 2018 einzureichen. Macht der Wahlvorstand keinen Gebrauch von der Möglichkeit, für den letzten Tag der Frist eine zulässige Zeitbeschränkung zu nennen, ist eine Vorschlagsliste, die in einen vom Wahlvorstand genutzten oder mitgenutzten Briefkasten bis 24 Uhr am letzten Tag der Frist eingeworfen wird, rechtzeitig eingereicht. Dann ist davon auszugehen, dass der Wahlvorstand Vorkehrungen trifft, die eine Einreichung von Wahlvorschlägen bis 24 Uhr ermöglichen. Etwa, dass er freiwillig entsprechende Vorkehrungen trifft, indem er sich bis 24 Uhr im Betrieb aufhält oder einen vorgehaltenen Briefkasten um Mitternacht noch einmal leert. Unterlässt er dies, gilt der rechtzeitige Zugang als bewirkt. Daher durfte man hier davon ausgehen, dass der Wahlvorstand auch am Abend noch von einem in den Briefkasten eingeworfenen Wahlvorschlag Kenntnis nehmen würde. Ob die Vorschlagsliste tatsächlich um diese Uhrzeit in den Briefkasten eingeworfen wurde, muss das LAG aufklären.
Das muss der Betriebsrat wissen
Die BAG-Entscheidung zeigt ein weiteres Mal, dass Fragen um Fristen oftmals knifflig sind. In diesem Fall sollten sich Betriebsräte und alle, die möglicherweise bei der kommenden Betriebsratswahl 2022 als Wahlvorstand arbeiten möchten, verinnerlichen, dass die Möglichkeit besteht, eine konkrete Zeitvorgabe als Fristende für die Einreichung von Wahlvorschlägen zu machen. Das BAG verlangt dafür, dass der Zeitpunkt, um am letzten Tag der Frist Wahlvorschläge beim Wahlvorstand einzureichen, nicht vor dem Zeitpunkt liegen darf, zu dem die Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebs an diesem Tag voraussichtlich endet. Diesen Zeitpunkt hat der Wahlvorstand bei Erlass des Wahlausschreibens per Prognose anhand der betrieblichen Gegebenheiten festzulegen. Ebenso wie bei der Angabe des letzten Tages der Einreichungsfrist (§ 3 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 2 WO) soll das Wahlausschreiben hier Klarheit schaffen, so das BAG.
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Quelle
Aktenzeichen 7 ABR 10/20