Kein Arbeitsunfall im Abenteuerwald
11. August 2016

Im Rahmen eines mehrtägigen Betriebsräteseminars, bei dem die Teilnehmer Grundlagen der Betriebsratsarbeit erlernen sollten, fiel seitens der Seminar-Besucher die Entscheidung, nachmittags im Anschluss an das Seminar auf eigene Kosten einen nahe gelegenen Abenteuerwald zu besuchen. Dort brach sich einer der anwesenden Betriebsräte den Knöchel und musste stationär behandelt werden. Der Kläger wollte den Unfall im Abenteuerwald am 13. Mai 2014 als Arbeitsunfall anerkennen lassen. Das verneinte zuletzt das LSG Baden-Württemberg. Für einen Arbeitsunfall sei im Regelfall erforderlich, dass
- die Verrichtung der Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang),
- diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität)
- und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität (etwa BSG, Urteil vom 26. Juni 2014 - B 2 U 7/13 R).
Arbeit oder Freizeit?
Zwar ereignete sich der Unfall im Zusammenhang mit der Teilnahme des Verletzten an einem Schulungsseminar für Betriebsräte, so dass eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Betracht kam. Dazu führt das LSG aus: »Den Tatbestand einer versicherten Beschäftigung im Sinne dieser Norm erfüllen zwar auch Verletzte, wenn sie handeln, um eigene unternehmensbezogene Rechte wahrzunehmen. Dabei handelt es sich um die Wahrnehmung von Rechten, welche die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand haben oder den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung fördern, wozu auch die Teilnahme als Betriebsratsmitglied bei der Ausübung der im BetrVG vorgesehenen Aufgaben zählt«. Beim Sturz im Abenteuerwald am 13. Mai 2014 hatte der Verletzte seine Teilnahme an dem Schulungsseminar allerdings unterbrochen und war daher nicht versichert. Lediglich die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung selbst sei als eine im BetrVG vorgesehene Aufgabe anzusehen und damit auch versichert. Zwar erkennt das Gericht an, dass Betriebsräten nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG in Verbindung mit dessen Absatz 2 unbedingt ein Schulungsanspruch zusteht, damit die Mitglieder des Gremiums ihr Amt sorgfältig und mit der nötigen Sachkenntnis ausüben können. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung greife aber nur während der Seminarzeiten, nicht jedoch in der seminarfreien Zeit während Aktivitäten im Rahmen eines eventuellen Begleitprogrammes.Umstände sprechen für Privatvergnügen
Dass der Besuch des Abenteuerwaldes die sozialer Kompetenz der Teilnehmer stärken sollte, erkannte das LSG nicht an: Der Veranstalter des Seminars begleitete diese Unternehmung nicht, weder durch einen Referenten noch sonst eine von ihm beauftrage Person, heißt es im Urteil. Außerdem hätte die Veranstaltung von den Teilnehmern selbst gezahlt werden müssen.Auch die irrige Annahme des Verletzten, er sei beim Besuch des Abenteuerwaldes versichert, ändert laut Gericht nicht am – nicht bestehenden – Versicherungsschutz. Zudem habe der Kläger selbst in einem Vordruck für seine Krankenversicherung angegeben, dass er nach der Arbeitszeit mit Kollegen im Abenteuerwald gewesen sei. Daraus folgerte das LSG, dass er den Aufenthalt dort anders als den Seminarunterricht, den er mit Arbeit gleichsetzte, als nicht versicherte Freizeitveranstaltung angesehen hatte.
© bund-verlag.de (mst) Lesetipp der Online-Redaktion: »Bin ich versichert? Hier greift der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung« von Michael Quabach in »gute ARBEIT.«, Ausgabe 7-8/2013, S. 56 – 59.Quelle
LSG Baden-Württemberg (12.05.2016)
Aktenzeichen L 6 U 836/16
Aktenzeichen L 6 U 836/16