Kostenerstattung für auswärtige Berufsschule

Kläger muss zur Berufsschule anreisen
Der 1994 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.2009 bis 31.08.2012 eine Berufsausbildung im Garten- und Landschaftsbau. Sein Ausbildungsbetrieb lag im Landkreis Reutlingen (Regierungsbezirk Tübingen), wo er auch wohnte. Da im Landkreis keine Fachschulklasse für den Ausbildungsberuf Gärtner/Garten- und Landschaftsbau besteht, besuchte der Kläger seit 2009 die landwirtschaftliche Berufsschule in Göppingen (Regierungsbezirk Stuttgart).
Zuschuss für Unterbringung am Berufsschulort
Zur Wahrnehmung der ca. 63 Blockschultage im Jahr musste der Auszubildende vor Ort übernachten. Er erhielt Unterkunft in einem der Berufsschule zugeordneten Jugendwohnheim. Dafür wurden Kosten fällig: Bis 31.03.2010 betrug der Tagessatz für die volle Verpflegung und Betreuung 26,-- EUR , danach 29,-- EUR. Zu diesen Kosten zahlte das Land einen Zuschuss in Höhe von 6,-- EUR pro Blockschultag. Eine weitergehende Übernahme der nicht gedeckten Kosten lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart ab. Er klagte auf Erstattung der Kosten.
Land muss Kosten für Berufsschulpflicht tragen
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) des Landes Baden-Württemberg entschied zugunsten des Auszubildenden: Das Land muss Berufsschülern, die zum Besuch einer auswärtigen Berufsschule verpflichtet sind, die Mehrkosten für Unterbringung und Betreuung hinreichend auszugleichen. Die Praxis des Landes, Berufsschülern lediglich einen Zuschuss zu den Kosten für die auswärtige Unterkunft zu gewähren, ist mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art 3 Abs.1 GG) nicht vereinbar, entschied der VGH. Wenn das Land auf der Grundlage von § 79 Abs. 3 des Landes-Schulgesetzes (SchG) die Pflicht des Klägers begründet, eine auswärtige Berufsschule zu besuchen, muss es die dadurch verursachten Mehrkosten einer notwendigen Unterbringung und Betreuung hinreichend ausgleichen.
Splitterberuf kein Grund für Ungleichbehandlung
Die Pflicht von Berufsschülern in Berufen mit wenigen Auszubildenden, eine auswärtige Berufsschule zu besuchen, benachteiligt sie gegenüber Berufsschülern, die ihre Schulpflicht nahe beim Ausbildungsort erfüllen. Zwar sei die Praxis nachvollziehbar, eine Berufsschulfachklasse mit pädagogisch und ökonomisch sinnvollem Lehrereinsatz erst ab sechzehn Berufsschülern pro Ausbildungsjahr einzurichten. Auch die Einrichtung solcher Fachklassen geschehe im Interesse einer guten Ausbildung. Indes rechtfertigt dies nicht die unterschiedliche finanzielle Belastung der Berufsschüler, die während ihres Blockunterrichts auswärts wohnen müssen.
Einkommensschwache Familien nicht abschrecken
Die Höhe der finanziellen Mehrbelastung mit Kosten in der Größenordnung von 3.000,00 EUR bis 4.000,00 EUR pro Ausbildung habe nicht unerhebliche Auswirkungen auf die grundrechtlich geschützte Freiheit der Wahl eines bestimmten Ausbildungsberufs. Die Belastung mit den Kosten der auswärtigen Unterbringung könne zudem eine abschreckende Wirkung insbesondere für Berufsschüler aus einkommensschwachen Bevölkerungsschichten haben.
Abzüge sind möglich
Das Land Baden-Württemberg ist daher dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger die entstandenen Mehrkosten zu erstatten. Es könne dabei die wegen der auswärtigen Unterbringung ersparten Verpflegungsaufwendungen abziehen. Dem Land stünden verschiedene Berechnungsmöglichkeiten zur Verfügung, wie es diese Ersparnis für Frühstück-, Mittag- und Abendessen bestimme. Die konkrete Berechnung bleibe dem Beklagten überlassen.
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Quelle:
VGH Baden-Württemberg (28.6.2016)
Aktenzeichen: 9 S 1906/14
VGH Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 30.8.2016