Kündigungen in der Insolvenz

Schrittweise werden die Pandemieschutzmaßnahmen zurückgefahren. In Betrieben kehrt allmählich Alltag ein. Es steht eine Zeit der Sondierung an. Nach dem Monat Mai 2020 mit der höchsten Anzahl an Arbeitnehmern in Kurzarbeit, die jemals gemessen wurde, wird es vielen Betrieben nicht gelingen, in einem Schritt in die Normalität zurückzukehren.
Für eine Reihe von ihnen wird allerdings der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unausweichlich sein. Betriebsräte können und sollten sich, wenn eine solche Entwicklung absehbar ist, frühzeitig darauf vorbereiten.
Kündigungen im Eröffnungsverfahren
Betriebsräte sollten sich für die kündigungsrechtlichen Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens weitsichtig wappnen.
Im Eröffnungsverfahren, z.B. im Schutzschirmverfahren, wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dies ist in der Regel ein so genannter »schwacher Verwalter« (§ 22 Abs. 2 InsO). Dieser ist selbst nicht zur Kündigung von Arbeitnehmern berechtigt. In Abgrenzung dazu kann der sogenannte »starke Verwalter« selber Kündigungen aussprechen, seine Bestellung ist aber die Ausnahme (§ 22 Abs. 1 InsO).
Kündigt der Arbeitgeber ohne die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, ist die Kündigung unwirksam. Liegt der Kündigungserklärung nicht die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei, kann der Arbeitnehmer die Kündigung als unwirksam zurückweisen (§§ 182 III, 111 S. 2 BGB).
Kündigungen nach Insolvenzeröffnung
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, wird der Insolvenzverwalter zum Arbeitgeber. Kündigungserklärungen, die der ursprüngliche Arbeitgeber ab diesem Augenblick abgibt, sind per se nichtig. Von nun an wird jeder von den Sozial- oder Betriebspartnern vereinbarte Kündigungsschutz durch § 113 S. 1 InsO zunichte gemacht. Jeder Sanierungstarifvertrag und jede Standortsicherungsvereinbarung werden hinsichtlich des Kündigungsschutzes gegenstandslos, auch alle an sich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer werden mit der nunmehr für alle gleichermaßen geltenden Kündigungsfrist von max. drei Monaten zum Monatsende kündbar (§ 113 S. 2 InsO).
Die Tarifpartner oder Betriebsparteien haben keine Möglichkeit, die Fristen des § 113 InsO zu modifizieren. Für den durch die frühere Kündigung entstandenen Entgeltausfall kann der Arbeitnehmer Schadensersatz als Insolvenzforderung geltend machen (§ 113 S. 3 InsO). Tarifpartner können diesen durch die rechtzeitige Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen zu Gunsten der Beschäftigten erhöhen, dies ist jedoch ab konkreter Kenntnis davon, dass Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers droht, in der Regel nicht mehr zulässig (§ 133 Abs. 1 InsO).
Kündigungsschutz des Betriebsrats bleibt erhalten
Erhalten bleibt jedoch jeder gesetzliche Sonderkündigungsschutz. Betriebsräten bleibt ihr Kündigungsschutz auch im Insolvenzverfahren erhalten (§ 15 KSchG); bei Betriebsschließungen gilt dies auch hier nur in den Grenzen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG. Zu beachten ist, dass der vorläufige Insolvenzverwalter keinesfalls nach § 113 InsO kündigen kann. Gleiches gilt für Beschäftigte mit Schwerbehinderungen, in Elternzeit und während der Mutterschutzfristen.
Anhörungsrecht des Betriebsrats
Grundsätzlich bleibt das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 BetrVG im Insolvenzverfahren unberührt. Haben jedoch sämtliche Betriebsratsmitglieder in Ansehung des Insolvenzverfahrens selbstständig gekündigt, erlischt das Mandat und mit ihm die Anhörungspflicht des Gremiums.
Im nächsten Teil dieses Beitrages geht es um Interessenausgleich, Sozialplan, Insolvenzgeld und den Nachteilsausgleich. Wir zeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten der Betriebsrat vor einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und während des Insolvenzverfahrens hat.
Dr. Michael Bachner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Daniel Wall
Rechtsanwalt
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