Mitbestimmung bei Vorlage einer AU-Bescheinigung

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht. Verlangt der Arbeitgeber von Arbeitnehmern unabhängig von einer Arbeitsleistung in einer bestimmten Form und innerhalb einer bestimmten Frist den Nachweis jeglicher Arbeitsunfähigkeit, betrifft das das betriebliche Ordnungsverhalten (BAG 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 - zu B I 2 a bb der Gründe, BAGE 93, 276 ).
Regelungsspielraum des Arbeitgebers
Hierfür eröffnet § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) dem Arbeitgeber einen Regelungsspielraum. Er kann demnach die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EFZG vor dem vierten Krankheitstag verlangen. Aber: Beim »Ob« und »Wie« der Nachweispflicht hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.
Regelung für alle Arbeitnehmer unterliegt der Mitbestimmung
Zwar steht es im freien Ermessen eines Arbeitgebers, ob er in einem Einzelfall von einem Arbeitnehmer abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 EFZG die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangt (BAG 14. November 2012 - 5 AZR 886/11 - Rn. 14, BAGE 143, 315 ). Stellt er aber eine Regel auf, die für alle Arbeitnehmer gelten soll, schafft er einen kollektiven Sachverhalt, den der Betriebsrat mitzubestimmen hat.
Zuständig ist der örtliche Betriebsrat
Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei Regelungen über Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit steht originär den örtlichen Betriebsräten und nicht dem Gesamtbetriebsrat zu. Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur solche Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und für die ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Ein solches kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben.
Keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats
Allein das vom Arbeitgeber bekundete Interesse an einheitlichen Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter begründet keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Hierbei handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitserwägung. Sie ist bei der Prüfung der gesetzlichen Zuständigkeit eines Gesamtbetriebsrats unbeachtlich.
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Quelle
Aktenzeichen 1 ABR 43/14