Kündigungsschutz

Kündigen einer ungeimpften Mitarbeiterin ist keine Maßregelung

03. April 2023
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Quelle: wwwpixabay.com/de

Die Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften medizinischen Fachangestellten in der Wartezeit (§ 1 KSchG) verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot – so das Bundesarbeitsgericht.

Darum geht es

Die Arbeitnehmerin war seit dem 1. Februar 2021 als medizinische Fachangestellte in einem Krankenhaus tätig. Sie wurde auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Sie war nicht bereit, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen und nahm entsprechende Impfangebote ihrer Arbeitgeberin nicht wahr.

 

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. Juli 2021 ordentlich fristgemäß zum 31. August 2021. Damit lag die Kündigung noch innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit vor Inkrafttreten des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Die Fachangestellte erhob Kündigungsschutzklage. Sie machte insbesondere geltend, die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB). Sie sei nicht zu einer Impfung verpflichtet gewesen. Die Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesungsnachweises für das Krankenhauspersonal (vgl. § 20a IfSG) sei erst ab dem 15. März 2022 wirksam geworden. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen (LAG Rheinland-Pfalz, 7.7.2022 – 5 Sa 461/21).

Das sagt das BAG

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG9 keinen Erfolg. Das LAG hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt.

§ 612a (Maßregelungsverbot) lautet: „Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“

Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung sei nicht die Weigerung der Klägerin gewesen, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal.

Dabei sei es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestünden keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung.

Hinweis für die Praxis

Da die Kündigung innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ausgesprochen wurde, betont das BAG ausdrücklich, dass der Senat nicht entschieden hat, ob eine Kündigung wegen fehlender Bereitschaft, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sozial ungerechtfertigt im Sinne § 1 KSchG ist.

Die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ gegen das Coronavirus für Beschäftigte in Pflege und Gesundheitsberufen (§ 20a IfSG) ist zwar am 15. März 2022 in Kraft getreten, aber schon am 31. Dezember 2022 wieder außer Kraft getreten.

Betriebsräte sollten daran denken, dass der Arbeitgeber sie auch vor einer Kündigung in der Wartezeit unterrichten und anhören muss (§ 102 BetrVG). Auch gegen eine nicht dem KSchG unterfallende Kündigung kann der Betriebsrat Bedenken anmelden.

Lesetipp:

»Beteiligungsrechte clever genutzt« von Christopher Koll in »Arbeitsrecht im Betrieb« 1/2019, ab S. 10.«

© bund-verlag.de (ck)

 

Quelle

BAG (30.03.2023)
Aktenzeichen 2 AZR 309/22
BAG, Pressemitteilung Nr. 18/23 vom 30.3.2023
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