Arbeitszeit

Umkleide- und Wegezeit als Arbeitszeit

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Quelle: Pixabay.com/de | Bild von Hannes Edinger

Indem der Arbeitgeber das Umkleiden im Betrieb anordnet, macht er mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit – so das LAG Nürnberg.

Bestimmte Arbeitskleidung ist in vielen Branchen völlig normal. Immer wieder ist streitig, ob das An- und Ablegen der Kleidung und das Reinigen des Körpers als vergütungspflichtige Arbeitszeit zählen.

Das war der Fall

In einer Speditionsfirma erhalten die Kraftfahrer eine bestimmte Schutzkleidung vom Arbeitgeber. Die Fahrer müssen die Kleidung vor Arbeitsaufnahme in der Umkleide anlegen, nach Arbeitsschluss müssen sie wiederum die Umkleide aufsuchen, die Kleidung ablegen, sich dort reinigen und die Schutzkleidung ebenfalls zur Reinigung abgeben.

Die Zeit des Umkleidens und Reinigens wird nicht in der elektronischen Zeiterfassung berücksichtigt. Ein Beschäftigter hält das nicht für richtig und verlangt Vergütung für diese Zeiten. Der Arbeitgeber ist der Meinung, im Tarifvertrag sei nichts geregelt, daher ergebe sich, dass die Umkleide- und Reinigungszeiten nicht zu vergüten seien. Die Kleidung sei auch nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich.

Das sagt das Gericht

Das LAG gibt dem Beschäftigten Recht. Die Umkleide- und die Reinigungszeiten, aber auch die innerbetrieblichen Wegezeiten sind als „Arbeitszeit“ zu werten und daher zu vergüten. Entscheidend ist dabei, dass alles Tätigkeiten „fremdnützig“ sind, das heißt: im Interesse des Arbeitgebers bzw. auf dessen Anweisungen erfolgen.

Im Detail führt das Gericht aus:

  • Umkleidezeiten als Arbeitszeit

    Das Tragen der Schutzkleidung erfolgt auf Weisung und im Interesse des Arbeitgebers. Diese Tätigkeit ist daher „fremdnützig“, sie dient als Arbeitsleistung dem Bedürfnis des Arbeitgebers. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vorschreibt, dass die Dienstkleidung im Betrieb angelegt und abgelegt werden muss. Das Umkleiden ist Bestandteil der Arbeitsleistung. Die dafür aufgewendete Zeit ist zu vergüten.
     
  • Reinigungszeit als Arbeitszeit

    Auch das Reinigen sieht das LAG als „fremdnützig“ an. Ein Wechsel von der Arbeitskleidung in die private Kleidung am Ende des Arbeitstages und eine anschließende Teilnahme am gesellschaftlichen oder privaten Leben sei – so das Gericht - ohne Körperreinigung nicht zumutbar. Der Grad der Verschmutzung sei erheblich. Die Körperreinigung ist damit notwendiger Bestandteil der vom Beschäftigten geschuldeten Arbeit und ist daher fremdnützig.
     
  • Wegezeit als Arbeitszeit

    Auch die innerbetrieblichen Wege zur Umkleide hin und zurück sind zur Arbeitszeit zu zählen, sofern sie dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss. Auch diese Zeiten sind daher zu vergüten.

Das muss die Interessenvertretung wissen

Das BAG hat Kriterien entwickelt, wann Umkleide- und Wegezeit als Arbeitszeit anzusehen sind. Danach ist von Arbeitszeit auszugehen, wenn der Arbeitgeber

  • das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und diese Arbeitskleidung zwingend im Betrieb angelegt werden muss
  • oder wenn die Kleidung besonders auffällig ist und der Arbeitnehmer sie deshalb im Betrieb anzieht.

Denn in diesen Fällen ist davon auszugehen, dass das Umkleiden einem fremden Bedürfnis (also dem Bedürfnis des Arbeitgebers) oder (zumindest auch) dem Bedürfnis des Beschäftigten dient (BAG 18.3.2020, 5 AZR 25/19). Dient das Umkleiden zugleich einem Bedürfnis des Beschäftigten, gehört die Umkleidezeit nicht zur Arbeitszeit. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Beschäftigte sich entscheidet, die Kleidung zu Hause anzuziehen und sie auf dem Weg zur Arbeit trägt.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Nürnberg (06.06.2023)
Aktenzeichen 7 Sa 275/22
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