Betriebsratsarbeit

Wann der Arbeitgeber Überstunden nicht dulden darf

Arbeitszeit
Quelle: iStock.com, Ivan-balyan

Missachtet der Arbeitgeber in grober Weise eine Betriebsvereinbarung, indem er weiterhin Überstunden deutlich über die vereinbarte Grenze hinaus duldet, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen, hat der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch – so das Hessische Landesarbeitsgericht.

Überstunden sind immer wieder Streitpunkt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der Arbeitgeber will Überstunden schnell anordnen können, während der Betriebsrat auf seine Mitbestimmung bestehen muss. Streitigkeiten sind vorprogrammiert.

Das war der Fall

Die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung sah vor, dass erst bei einer Überschreitung von max. 40 Stunden des Gleitzeitkontos Vorgesetzter und Beschäftigter einen Plan zur Rückführung der Mehrarbeit auf 40 Stunden vereinbaren sollten.

Diese Regelung sollte dem Arbeitgeber eine gewisse Flexibilität einräumen. Dennoch hatten im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 mindestens fünf Beschäftigte Überstundenguthaben von deutlich mehr als 100 Stunden auf ihrem Gleitzeitkonto. Insgesamt hatten 21 Beschäftigte mehr als die vereinbarten 40 Überstunden.

Der Betriebsrat verlangt daher nach § 23 Abs. 3 BetrVG, dass der Arbeitgeber es unterlässt, die Betriebsvereinbarung weiterhin zu verletzen.

Das sagt das Gericht

Der Betriebsrat hat einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Der Arbeitgeber hat gegen seine Verpflichtungen aus der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit grob verstoßen.

Auch in diesem Fall greife der § 23 BetrVG – so das LAG. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Das LAG betont explizit, dass „einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit“ noch nicht dafür sprächen, dass der Arbeitgeber diese einfach „hinnimmt“.

Die positive Kenntnis des Arbeitgebers von Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer ohne Ergreifen von Gegenmaßnahmen deute jedoch regelmäßig auf deren Duldung hin.

Vereinbarte Grenze massiv überschritten

Das Gericht kritisiert vor allem, dass der Arbeitgeber in vielen Fällen eine massive Überschreitung der vereinbarten Überstunden-Obergrenze hingenommen bzw. geduldet habe. Die Argumentation des Arbeitgebers, es habe sich bei den betroffenen Mitarbeitern um solche der Abteilung Traktor Sales und Marketing gehandelt, die teilweise an auswärtigen Veranstaltungen teilnehmen und dadurch Überstunden aufgehäuft, überzeugt nach Meinung des Gerichts nicht.

Ebenso wenig überzeugte der Hinweis, es seien gerade einmal zwei Prozent der Belegschaft betroffen. Wenn der Arbeitgeber, der über seine EDV jederzeit Zugriff auf die Arbeitszeitkonten habe, nicht aktiv einschreite, könne dies nur als Hinnahme der Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung verstanden werden.

Das muss der Betriebsrat wissen

Gerade um dem Arbeitgeber eine gewisse Flexibilität bei Überstunden in Eilfällen zu ermöglichen, schließen Arbeitgeber und Betriebsrat häufig – wie hier – Betriebsvereinbarungen. An deren Grenzen und Vorgaben (also hier 40 Stunden Gleitzeitkonto) müssen Arbeitgeber sich dann aber auch halten. Betriebsvereinbarungen sind kein Freifahrtschein, um die Mitbestimmung völlig auszuhebeln. Ansonsten kann der Betriebsrat Unterlassungsansprüche aus § 23 Abs. 3 BetrVG geltend machen.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Hessen (06.03.2023)
Aktenzeichen 16 TaBV 85/22
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